Wichtiges Antibiotikum: Amoxicillin
Wenn Kinder unter einer hartnäckigen Mittelohrentzündung leiden oder Erwachsene eine schwere Bronchitis haben, verordnen Ärzte oft Amoxicillin. Das Antibiotikum ist schon seit über 30 Jahren in Deutschland auf dem Markt und hat nicht an Bedeutung verloren. Wir stellen es als weiteres Beispiel für eine „gute alte Pille“ vor.
Amoxicillin zerstört Bakterien, indem es den Aufbau ihrer Zellwand während der Zellteilung behindert. Es wirkt „bakterizid“. Im Unterschied dazu verhindern die „bakteriostatischen“ Antibiotika, dass sich Bakterien vermehren. Amoxicillin ist ein Penicillin-Antibiotikum aus der Gruppe der Beta-Lactam-Antibiotika.
Amoxicillin greift verschiedene Arten von Bakterien an. Entsprechend vielfältig wird es genutzt – und nicht nur bei Kindern. Typische Einsatzgebiete sind außer der Mittelohrentzündung und bakterieller Infektionen im Hals-Nasen-Ohren-Bereich auch bakterielle Infektionen der Lunge (vor allem bei Bronchitis), des Magen-Darm-Traktes (Magengeschwür durch Helicobacter-Bakterien), der Gallenwege und der Haut. Amoxicillin gibt es als Tablette, Saft, Spritze und Infusion.
Unerwünschte Wirkungen
Penicilline beeinträchtigen vor allem den Darm. Ein weiteres Problem sind allergische Reaktionen. Unerwünschte Auswirkungen auf den Verdauungstrakt entstehen vor allem dadurch, dass praktisch alle Antibiotika die natürliche Darmflora beschädigen (siehe GPSP 3/2014, S. 22). In sonst nur geringerer Zahl vorhandene Bakterien können dabei überhand nehmen und zu Durchfall und Bauchschmerzen führen. Bei allergischen Reaktionen kann es sich entweder um eine angeborene Allergie oder eine erworbene Überempfindlichkeit handeln, die erst durch die wiederholte Verwendung von Penicillin entsteht. Auch Kreuzallergien mit Cephalosporinen, die ebenfalls zu den Beta-Lactam-Antibiotika gehören, sind möglich.
Nicht immer eine Allergie
Eine Allergie vom „Soforttyp“ kann schlimmstenfalls zum lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schock mit Atemnot und Blutdruckabfall führen. Der „verzögerte Typ“ hingegen macht sich oft durch Hautausschlag bemerkbar. Wenn es im Zusammenhang mit Penicillin zu Hautausschlag kommt, vermuten sowohl Patienten wie auch Ärzte häufig, es handle sich um eine Allergie. Dies ist aber oft nicht der Fall. Vielmehr kann der Ausschlag auch durch die Krankheit selbst bedingt sein, oder es handelt sich um eine harmlose Hautreaktion, also keine Penicillinallergie im engeren Sinne. Der Unterschied ist wichtig, weil im Fall einer Allergie die erneute Einnahme von Penicillin sich gegebenenfalls bedrohlich auswirken kann.1,2
Leider können sich viele Menschen nicht genau erinnern, bei welchem Antibiotikum sie mit einer Allergie oder anderen unerwünschten Wirkungen zu tun hatten. Da allergische Symptome als Wirkung mancher Antibiotika bekannt sind, werden sie gerne pauschal dem Penicillin zugeschrieben.3 Daher ist es für Patienten wichtig festzuhalten, welches Medikament welche unerwünschte Wirkung hatte. Im Fall von Allergien rät GPSP zu einem Allergiepass.
Unguter Widerstand
Nicht immer schafft es ein Antibiotikum, die krankmachenden Bakterien effektiv zu bekämpfen. Denn manchmal sind Bakterien widerstandsfähig gegen einen Wirkstoff, also „resistent“. Man unterscheidet zwischen natürlicher Resistenz und erworbener Resistenz. Bei der natürlichen ist das Antibiotikum von vorneherein machtlos. Zum Beispiel sind manche Bakterienarten schon von ihrer Anlage her nicht empfindlich gegenüber Penicillinen, weil ihr Zellwandaufbau nicht von diesen Antibiotika gestört werden kann.
Erworbene Resistenz
Wenn Bakterien erst dann eine Resistenz entwickeln, nachdem sie mit Antibiotika in Kontakt gekommen sind, spricht man von erworbener Resistenz. Diese entsteht, weil die Bakterien eines Typs, der prinzipiell gegenüber Penicillinen empfindlich ist, sich genetisch geringfügig voneinander unterscheiden und durch Mutationen rasch verändern können. Während einer Antibiotikatherapie würden dann diejenigen am Leben bleiben und sich vermehren, die gegenüber dem Antibiotikum weniger empfindlich, also resistent, sind.
Diese resistenten oder resistent gewordenen Bakterien können sogar längere Zeit im menschlichen Körper überdauern und zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Infektion auslösen. Sie sind auch auf andere Menschen übertragbar. Wer von solchen Erregern angesteckt wird, erkrankt an einer Infektion, gegen die das ursprünglich noch wirksame Antibiotikum bereits machtlos ist. Resistente Bakterien entwickeln sich hauptsächlich im Krankenhaus – gerade weil dort in vielen Situationen Antibiotika eingesetzt werden. Solche widerstandsfähigen Keime nehmen zu und sind gefürchtet.
Weniger ist mehr
Gemessen in Dosierungen pro Tag ist Amoxicillin das in Deutschland am häufigsten verordnete Antibiotikum. Leider verschreiben Ärzte und Ärztinnen insgesamt zu häufig Antibiotika und dabei immer häufiger auch die sogenannten Reserveantibiotika, vor allem Cephalosporine und Fluorchinolone.4 Das ist bedenklich, denn diese sollten nur in bestimmten Situationen eingesetzt werden.5 Häufig würde man als Patient auch ohne Antibiotika ganz gut klar kommen – auch manches Kind mit einer Mittelohrentzündung (GPSP 3/2011, S. 9).
In Nordrhein-Westfalen haben Wissenschaftler nachgehakt und die Verwendung von Antibiotika bei Bronchitis untersucht. Und siehe da: Alleine durch eine bessere Kommunikation zwischen Ärzten und Patienten waren häufig nur noch halb so viele Antibiotika nötig.6 Und nicht zu vergessen: Erkältungen (grippale Infekte) und Grippe (Influenza) gehen auf das Konto von Viren – da sind Antibiotika als Bakterienkiller nutzlos (S. 19 in diesem Heft und GPSP 1/2005 S. 4).7 Dennoch stehen sie oft auf dem Rezept!
Fazit
Amoxicillin ist ein wichtiges und hilfreiches Antibiotikum. Aber es gibt Risiken, beispielsweise allergische Reaktionen. Antibiotika sollten Ärzte grundsätzlich nur dann verordnen, wenn sie wirklich nötig sind. Das erspart der Patientin oder dem Patienten unnötige Risiken und trägt dazu bei, dass die Erreger nicht resistent werden. Und schließlich ist der richtige Einsatz von Antibiotika wichtig: Erst einfache Antibiotika wie Amoxicillin, und die Reserveantibiotika nur im Ausnahmefall. Insgesamt gilt: „Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“.
Stand: 1. Oktober 2014 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2014 / S.25