Glykonährstoffe
Zauberzucker ist auch nur süß
Immer wieder ist die Rede von „Glykonährstoffen“, „lebensnotwendigen Zuckern“ oder „Vitalzuckern“. Bestimmte Zuckersorten sollen, ähnlich wie Vitamine, für ein gesundes Leben notwendig sein.1 Um angebliche Mängel auszugleichen, werden unglaubliche Summen verlangt. Da müssen schon mal 116 Euro für 100 Gramm Zucker hingelegt werden.2
Zucker spielen in unserem Stoffwechsel eine wichtige Rolle, z.B. beim Aufbau von Eiweißen, Enzymen, Hormonen. Die verschiedenen Zucker werden nach Bedarf vom Körper hergestellt oder sind bereits in der Nahrung enthalten. An ihrer Bedeutung besteht kein Zweifel. Welche Rolle sie im Körper spielen, ist gut erforscht. Hersteller und Verkäufer von Nahrungsmitteln nutzen diese Erkenntnisse auf ihre Weise – und zwar für Werbung. Die läuft oft nach einem ähnlichen Schema ab: Eine allgemeine wissenschaftliche Einleitung zur Bedeutung der Zucker für den Organismus (wie wir sie gerade gegeben haben). Dagegen kann man nicht viel einwenden.
Mangel-Behauptung: Nun kommen die Verkaufsinteressen ins Spiel. Es wird behauptet, unsere „moderne“ Ernährung sei an wichtigen Bestandteilen verarmt – an Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und eben auch an bestimmten Zuckern (= Glykonährstoffen). Dadurch seien viele Menschen gefährdet.
Ergänzungsbedarf: Daraus wird gefolgert, die Nahrung müsse ergänzt werden, wodurch wichtige Erkrankungen vermieden oder geheilt werden können. Mangel an bestimmten Nahrungsbestandteilen gibt es zwar. Er kann auf falscher Ernährung beruhen oder auf erhöhtem Bedarf (z.B. in der Schwangerschaft). Gut bekannt sind etwa Skorbut (durch Mangel an Vitamin C) oder Anämie durch Eisenmangel. Die Behauptung, dass Mangelsituationen in unseren Breiten ein generelles Problem sind, das bevölkerungsweit die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln erfordere, ist jedoch wissenschaftlich nicht haltbar. Dies gilt erst recht für Zucker: Es gibt bei uns keinen Mangel an Zuckern.
Bildung von Interessensgruppen: Im nächsten Schritt werden häufig Interessens- und Verkaufsgruppen gebildet. Sie sollen, zum Beispiel in Internetforen, den Gedanken „Nahrungsergänzungsmittel sind eine Notwendigkeit“ verbreiten. Solche Gedanken fallen auf fruchtbaren Boden, denn wer möchte schon krank werden, weil er etwas versäumt hat. Viele Menschen möchten sich schlichtweg „etwas Gutes tun“, selbst wenn es viel kostet.
Wir schlagen einen weiteren Schritt vor: Lassen Sie sich nicht verunsichern. „Vitalzucker“ ist nur fauler Zauber. Auch für andere Nahrungsergänzungsmittel sollten Sie kein Geld ausgeben, wenn Sie sich vielfältig ernähren.
Stand: 1. Juni 2009 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2009 / S.14