Waschen mit Wick MediNait
Nicht nur der ADAC hatte diese überaus praktische Idee, dass man dem eigenen Laden und im selben Zug den Wirtschaftspartnern einen Gefallen tut, wenn man alljährlich ein Produkt hoch lobt. Und darum haben wir neben dem „Auto des Jahres“ auch das „Medikament des Jahres“.1 Dafür ist natürlich nicht der ADAC zuständig, sondern der Bundesverband Deutscher Apotheker, kurz BVDA. Der outet sich in seiner Selbstdarstellung so: „Wir setzen uns ein für die wirtschaftlichen Interessen der Apotheken in Deutschland.“ 2 Wovon übrigens nicht jede Apotheke profitieren möchte, sondern nur jede dritte. Der BVDA hatte zuletzt mit Hilfe von 305 Apotheken das tollste Medikament des Jahres 2014 herausdestilliert: And the winner is … Wick MediNait! Etwa 200 Apotheken hatten für dieses Präparat als Nummer 1 gestimmt. – Ob diese bei Procter & Gamble 3 gerade Großpackungen im Sonderangebot geordert hatten, das wissen wir natürlich nicht.
Noch toller als diese BVDA-Medikamentenkür ist aber, wie entspannt die für Deutschland zuständige deutsche Arzneimittelaufsicht, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf diesen Jahressieger reagiert hat.4 Das Mittel sei halt zugelassen, weil es „eine minimale Wirkung“ habe.
BfArM: Waschmittel und Arzneimittel
Ganz anders reagierten zwei Arzneimittelexperten der kritischen Sorte. Sie reiben sich die Augen, weil hier ein Mischmasch-Präparat mit Lorbeeren bekränzt wurde, dessen Konzept „aus der Mitte des letzten Jahrhunderts stammt“. Denn Wick MediNait enthält gleich vier Wirkstoffe samt ihrer „Neben“wirkungen – verrührt oder geschüttelt mit einem kräftigen Schuss Alkohol. (GPSP 2/2008, S.10) In der Regel braucht der Erkältungsgeplagte nur einen Wirkstoff, eventuell vorübergehend einen zweiten dazu, aber keine volle Dröhnung nach dem Schrotschussprinzip.
Der Chef des BfArM hat – im Gegensatz zu den beiden Quertreibern – kein Problem damit, wie das Medikament des Jahres 2014 marketingmäßig unter die Leute gebracht wird. Darauf in der Sendung von Frontal21 angesprochen machte er schnell mal klar: „Das ist aber auch in anderen Bereichen so, dass man mitunter das Gefühl hat, hier übertreibt die Werbung vielleicht etwas – seien es Waschmittel oder andere Produkte. Da muss der Verbraucher ein bisschen kritisch sein.“
Will da wer behaupten, dass der Vergleich hinkt? Nix da: Waschmittel und Arzneimittel, die haben gleich zwei Silben gemeinsam, sind beide Mittel zum Zweck und irgendwie macht die Werbung für Wick MediNait Hoffnung, dass man sich über Nacht von der Erkältung reinwaschen kann. Gewissermaßen von innen.
Aber mal ehrlich: Das mit der Übertreibung, das könnte der BfArM-Präsident eigentlich vor jedem Werbeclip zu Arzneimitteln kundtun. Ein einziges Statement für alle Zeiten. Gleich vorneweg warnt er vor den gängigen Übertreibungen der Werbebranche …
Stand: 1. Juni 2014 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2014 / S.18