Von Müsli und Mäusen
Jeder Mensch ist einzigartig! Das wird ja wohl keiner bestreiten. Und dann kann es der Mensch des 21. Jahrhunderts beim Gang durch den Supermarkt doch nur als Kränkung seiner Individualität begreifen, wenn lediglich dreißig vorgefertigte Müslisorten zur Auswahl stehen. Gut, dass es inzwischen Online-Versender gibt, bei denen sich die Frühstücksflocken bis zur letzten Nuss ganz individuell zusammenstellen lassen.
Doch sicher gibt es immer noch Tausende, denen gerade der Sinn nach Buchweizen-Crunch mit Gojibeeren und gehobelten Tigernüssen steht. Deshalb ist es auch nur konsequent, jetzt endlich Ernährung auf das nächste Level zu heben: „personalised nutrition“. Schluss mit den Einheitsempfehlungen, jetzt hilft eine „Lifestyle DNA-Analyse“, sich wirklich individuell zu ernähren und dabei auch noch abzunehmen. Denn schließlich gilt ja: Du bist, was du isst – oder isst du, was du bist? Egal.
Und was soll schon dabei schiefgehen, wenn ein Müsli-Anbieter und ein Unternehmen zusammenarbeiten, das mit diversen DNA- und Bluttests sowie Nahrungsergänzungsmitteln sein Geld verdient? Das ist doch einfach praktisch, wenn die Daten weitergegeben werden1 und dann „maßgeschneidert“ Protein Flakes mit Aroniabeeren und Salty Caramel Crispies gleich ins Haus kommen, oder was man sonst angeblich aus den Genen herauslesen kann.
Dass die Schlussfolgerungen aus den DNA-Analysen bisher auf wissenschaftlich sehr wackligen Beinen stehen?2 Geschenkt. Schließlich können Studien gar nicht dieses wohlige Gefühl erfassen: Da hat sich wirklich jemand mal nur mit mir allein beschäftigt.
Allerdings scheint uns die Geschäftsidee noch nicht ganz ausgereizt: Warum nicht auch die besten Freunde des Menschen einbeziehen? Wer seinen Hund wirklich liebt, schickt auch gleich dessen Speichelprobe mit ein – und bekommt dann ein Müsli mit Stückchen von getrockneter Rinderkopfhaut. Zumindest an ihre Mäuse haben die Anbieter schon gedacht: Denn die „Lifestyle-DNA-Analyse“ gibt es zum fabelhaften Sonderpreis von 189 Euro – Pfannkuchenrezepte inklusive.
Stand: 29. April 2020 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2020 / S.18