Razzia gegen Panscher
Gepanschtes auf der Fahndungsliste
„Operation Pangea III“
40 Staaten sind bei einer konzertierten Aktion in der Woche vom 5. Oktober bis zum 12. Oktober 2010 gegen den Internethandel mit gepanschten Nahrungsergänzungen sowie gefälschten und illegalen Arzneimitteln vorgegangen. Bei der „Operation Pangea III“ wurden weltweit 290 Internetseiten geschlossen und zahlreiche Personen festgenommen. 328 Postzentren hatten mehr als 62.000 Pakete kontrolliert und tausende potenziell schädliche Arzneimittel sichergestellt.
Die Aktion wurde unter anderem von Interpol koordiniert. Für Deutschland teilt das Bundeskriminalamt (BKA) mit, dass man rund 100 relevante deutschsprachige Internetseiten identifiziert hat, die mutmaßlich illegale Arzneimittel offerieren. Gegen die Betreiber sind Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Sie stehen unter Verdacht, nicht zugelassene Arzneimittel sowie gesundheitlich bedenkliche Produkte vertrieben zu haben. Die professionelle Aufmachung der illegalen Internetseiten macht es potenziellen Kunden schwer, seriöse von unseriösen Angeboten zu unterscheiden.
Im Rahmen der Aktion Pangea III hat auch der deutsche Zoll bundesweit Postsendungen mit Arzneimitteln geprüft und mehrere zehntausend Tabletten illegaler Produkte sichergestellt. Die Medikamente enthielten zum Teil andere Wirkstoffe als deklariert oder waren falsch dosiert. In einigen angeblich rein pflanzlichen Produkten entdeckten die Prüfer nicht deklarierte synthetische Wirkstoffe, wie beispielsweise den Appetithemmer Sibutramin, der wegen bedrohlicher Nebenwirkungen nicht mehr verkauft werden darf (GPSP 1/10, Seite 8).1
Fälschungen und Panschereien sind weltweit ein Problem. In einer Klinik in Hongkong mussten innerhalb von fünf Jahren 66 Personen behandelt werden, weil sie gepanschte Produkte eingenommen hatten. Sie erlitten Herzinfarkte oder andere schwere Gesundheitsschäden, weil anscheinend harmlose Präparate mit chemischen Wirkstoffen wie Sibutramin versetzt waren, ohne dass dies auf den Packungen angegeben war.
Gute Pillen – Schlechte Pillen warnt seit Jahren regelmäßig vor illegal vertriebenen gepanschten Nahrungsergänzungsmitteln. Eine praktische Suchfunktion für alle der Redaktion bekannt gewordenen gepanschten Produkte – inzwischen sind es etwa 480 – finden Sie im Internet: www.gutepillen-schlechtepillen.de. Aktuelle haben wir 31 neue Einträge ergänzt.
Neu gefundene gepanschte Produkte:
Baisheng wei ge, Chu bi ho ken, Duro Extend Kapseln, E.O.D. Erection on Demand, Golden aryuru, Jinbolang, I ka ou, Kuai gan bei zeng chao yue zi wo, Ling tou lang, Lov, Pulse8 for Women, SkyFruit, So Hard for Men, Stallion, Suika Koso, Ten ka dai 1 bou, The Rock, Vialipro, Virilimaxx, Volcania
In diesen zur Förderung der Erektion oder zur sexuellen Stimulierung angebotenen Nahrungsergänzungsmitteln wurden verschreibungspflichtige erektionsfördernde Wirkstoffe wie Sildenafil (Viagra®), Tadalafil (Cialis®) oder deren chemische Varianten nachgewiesen. Die Dosierungen der nicht deklarierten – also verheimlichten – Erektionsförderer sind zum Teil deutlich höher als in den zugelassenen Arzneimitteln. Die Einnahme der gepanschten so genannten Nahrungsergänzungsmittel kann schwerwiegende Nebenwirkungen haben, bis hin zum lebensbedrohlichen Blutdruckabfall.
Joyful Slim Herb
Das Präparat wird als natürliches Kräutermittel zur Gewichtsabnahme propagiert. Bei einer Überprüfung wurde darin jedoch eine chemische Variante des appetithemmenden Wirkstoffes Sibutramin (Reductil®) entdeckt, das wegen Herz-Kreislauf-Schädlichkeit nicht mehr verkauft werden darf.
Arth-Forth
In diesem als Nahrungsergänzung beworbenen Präparat fand sich bei der Überprüfung das nicht deklarierte stark wirkende Glukokortikoid Dexamethason (Fortecortin® u.a.).
4-Al Kapseln, ArimaDex*, AROM-X Kapseln, AROM-XL Liquid, AROM-X UTT Liquid, Clomed, Decavol Kapseln, Off Cycle II Hardcore, Reversitol
Diese Präparate werden als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet und sollen beispielsweise natürliches Testosteron aktivieren und die fettfreie Muskelmasse erhöhen. Die Präparate enthalten einen als ATD bezeichneten Stoff (Androstatriendion), einen so genannten Aromatasehemmer, der die Östrogenproduktion herabsetzt. Wirkstoffe dieser Gruppe werden daher legal zur Behandlung von bestimmten Brustkrebsformen verwendet. Der Aromatasehemmer ATD ist allerdings nicht als Arzneimittel zugelassen. Auf Drängen der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA mussten Anbieter in den USA so genannte Nahrungsergänzungsmittel, die ATD enthalten, aus dem Handel ziehen. Aber auf deutschsprachigen Internetseiten werden ATD-haltige Produkte immer noch angeboten, dabei ist ihr Vertrieb illegal. Aromatasehemmer wie ATD sind als verschreibungspflichtige Arzneimittel einzustufen und dürfen nur in den Handel gebracht werden, wenn für diese eine behördliche Zulassung als Arzneimittel besteht. Für ATD existiert diese nicht. Die Zulassung eines derart stark wirkenden hormonartigen Stoffes zur Förderung der Muskelmasse verbietet sich jedoch.
Stand: 1. Dezember 2010 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2010 / S.14