Die Kackwurstfabrik
Eine faszinierende Reise durch den Verdauungskanal
Was für ein ungeheuerlicher Buchtitel. Wer rümpft da nicht erstmal die Nase? Doch halt – dieses Kinderbuch im Riesenformat ist eigentlich ganz manierlich und macht nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene zu Klugscheißern.
Ja, es geht um Kacke: Wer das Buch öffnet, findet sofort eine Doppelseite, die die unterschiedliche Beschaffenheit der Exkremente samt Begleiterscheinungen in 60 kleinen Zeichnungen zeigt: „Hartes Geschäft“, „Bremsspur“, „Pferdeäppel“, Dünnschiss“ oder „Spinathaufen“. Und an dieser Stelle sei schon mal der Illustrator des Buchs Tjarko van der Pol lobend erwähnt. Seine grafische Gestaltung und Bebilderung macht das Buch zu einem heiteren, lebendigen Abenteuer.
Im Buch von Marja Baseler und Annemarie van den Brink sind die Protagonisten die Kinder Pim und Polly und ihr Hund Wuschel. Der Ort des Geschehens ist die Kackwurstfabrik, der Arbeitsort ihres Vaters – übrigens ein verzweifelter Professor. Denn in der Fabrik herrscht ein schlimmes technisches Problem. Ein endgültiger Zusammenbruch und damit das Aus ist zu befürchten.
Die neugierigen Kinder machen sich also heimlich auf den Weg in die Fabrik und werden Seite für Seite von Mitarbeitenden zu den einzelnen Betriebsstationen geführt: vom mahlenden Mundwerk zum magischen Magen mit seinem Säurebad bis zum Dünndarm. Von da geht es mit dem kleinen Zug rasant weiter durch den Dickdarm. Die Entdeckungsfahrt endet am After – wo sie die beiden wichtigen Schließmuskeln als Pförtner Jack und Johnny kennenlernen.
Während ihrer Reise durch die Fabrik erfahren Pim und Polly, was man alles tun und essen kann, damit es der Verdauung gut geht. Sie lernen zum Beispiel auch, dass die Innenseite des Dünndarms viele Zotteln (in der Fachsprache eigentlich Zotten) hat – wie ein dicker Teppich. Das ist praktisch, weil der Darm dadurch eine Riesenfläche hat. Würde man die Zotteln glattstreichen, wäre der Darm so groß wie ein Fußballfeld. Darum kann er auch sehr viele Nährstoffe aufnehmen.
Mit all diesem Wissen und detektivischem Geschick finden die Kinder die Ursache des Fabrikproblems – Verstopfung! – und lösen es. Ein Zeitungsausschnitt berichtet über diese Sensation und das „Ergebnis der großen Kackstudie“. Die Fabrik wird zum Abenteuer-Freizeitpark für alle.
Besonders lehrreich: In jedem Themenabschnitt wird auch eine Wissensfrage an die Betrachtenden gestellt. Die entsprechenden Antworten finden sich im Anhang, kombiniert mit Tipps und Wissenswertem, auch zu Rülpsern und Pupsern. Das Klo-Quiz, Wimmelbilder und vieles mehr runden den Lesespaß ab.
Vielleicht wird die Sprache nicht bei allen Erwachsenen auf Zustimmung stoßen. Doch sie setzt genau da an, wo gerade Kinder ab 7 Jahren neugierig werden, bestimmt rumgiggeln – und dabei lernen, wie ihre Verdauung funktioniert und was man ihr Gutes tun kann. Kurz: dass sie selbst eine Kackwurstfabrik auf zwei Beinen sind. Und vielleicht werden sich manche von ihnen (endlich) trauen, den Eltern von ihren Verdauungsbeschwerden zu erzählen, seien es etwa Verstopfung, Durchfall oder Blähungen.
Unser Fazit: Ein Buch aus dem renommierten Klett Verlag-Ableger „Kinderbuch“, das auch zu Corona-Indoor-Zeiten für Ablenkung sorgt und sich gewiss auch beim kleinen Buchhändler vor Ort online oder telefonisch bestellen und per Fahrradkurier oder Post zustellen lässt.
Verstopfung bei Kindern
GPSP 2/2016, S. 17
Stand: 29. April 2020 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2020 / S.10