Gesunder Zweifel
In der letzten Ausgabe von GPSP hatten wir das Buch „Patient im Visier“ als Sommerkrimi der besonderen Art vorgestellt. Kürzlich erschien gewissermaßen als Fortsetzung der Herbstkrimi „Gesunder Zweifel“ von Ursel Sieber. Man hätte das Buch der Journalistin, die für die ARD-Magazine Monitor und Kontraste arbeitet, durchaus „Nutzenbewertung im Visier. Die alte Strategie der Pharmakonzerne“ taufen können. Zugegeben, das wäre ein etwas spröder Titel, aber treffend, denn seit Jahren versuchen Arzneimittelfirmen mit allen Mitteln, eine unabhängige Beurteilung des tatsächlichen Nutzens ihrer Produkte für die Patienten zu verhindern. Immerhin wurde in Deutschland – in der Ära von Ulla Schmidt – das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) geschaffen, das den Nutzen von Arzneimitteln ermittelt. Denn: Eine Wirkung neuer Präparate mag vorhanden sein, besser als bewährte sind sie oft nicht, manchmal sogar schlechter. Sie kosten aber häufig mehr.
Dem ersten Chef des IQWiG, Peter Sawicki, wurde kürzlich der Laufpass gegeben. Ursel Sieber beschreibt minutiös, wie es dazu kam und wer die Fäden gezogen hat. Einiges konnte jeder der Tagespresse entnehmen. Die Zusammenschau, die Darstellung der Drahtzieher aus Politik und Wirtschaft, der Interessen von Ärzten und Krankhäusern, der Fallstricke und Intrigen macht das Buch zu einer höchstspannenden Lektüre für jeden, der hinter die Kulissen schauen will. Ganz nebenbei erfährt der Leser oder die Leserin, mit welchem Maßstab das IQWiG Medikamente gegen Demenz, Diabetes und Bluthochdruck oder die Behandlung von Krebs bewertet hat.
Es sieht so aus, als gäbe es in diesem Krimi gleich am Anfang ein Opfer, ausgemustert im Kampf für eine unabhängige Medizin, Peter Sawicki. Aber Totgesagte leben bekanntlich länger.
Stand: 1. Oktober 2010 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2010 / S.11