Arzneimittelfälschungen: Doch ein Problem bei uns?
Ende März 2013 nahm die Kripo Hamburg zwei Männer fest. Sie werden verdächtigt, in erheblichem Umfang gefälschte Arzneimittel in den deutschen Arzneimittelmarkt eingeschleust zu haben.
Gefälschte Arzneimittel sind in Deutschland kein relevantes Problem, schrieben wir in GPSP 2/2013, S. 9. Der jüngste Fälschungsskandal kann allerdings das Vertrauen erschüttern, das in die Qualität und Sicherheit der in deutschen Apotheken verkauften Arzneimittel gesetzt wird. Bislang galten Vorbehalte fast ausschließlich dem Internethandel und dort vor allem hochpreisigen Medikamenten und Lifestyle-Produkten wie Potenzmittel vom Typ Sildenafil (Viagra®). Auffällig häufig erhalten Kunden nicht Originalware, sondern Fälschungen mit fraglicher Qualität. Hoffung auf das große Geld weckt hier die kriminelle Energie der Fälscher: Ein Kilogramm eines Viagra®-Plagiats kann auf dem Schwarzmarkt rund 90.000 Euro bringen.1
In den vergangenen Monaten wurden in Deutschland erstmals riesige Mengen eines gefälschten Arzneimittels in die legale Handelskette eingeschleust. Und erstmals verlegten sich die Fälscher auf ein relativ billiges Medikament – auf den Säureblocker Omeprazol als Generikum. Offensichtlich sollte die Menge den Deal lukrativ machen. Um die Plagiate müssen sich nun die Generikafirmen Hexal, KSK und ratiopharm kümmern, deren Omeprazol-Präparate gefälscht worden waren. Sie haben Packungen mit 100 Tabletten zu 20 mg und 40 mg aus dem Handel zurückgerufen – darunter Ware, die sie selbst gar nicht ausgeliefert hatten. Der Schaden soll mehr als eine Million Euro betragen.2
Der Weg von Arzneimitteln lässt sich in Deutschland normalerweise gut nachvollziehen: Industrie → Großhandlung → Apotheke. Die regionalen Großhandlungen sind dabei eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass Apotheken fehlende Arzneimittel meist innerhalb weniger Stunden besorgen können. Weil diese Lieferkette so überschaubar ist, gilt sie im Wesentlichen als sicher – wenn es nicht Seiteneinsteiger gäbe. Und hier liegt das Problem. Manchmal gelangen Arzneimittel auch über besondere Zwischenhändler in die Lieferkette, die zeitlich begrenzt mal das eine und mal ein anderes Arzneimittel preisgünstig an den Großhandel oder direkt an Apotheken verkaufen. Über solchen Zwischenhandel jenseits der etablierten Strukturen schleusten auch die Fälscher ihre Omeprazol- Plagiate, die aus Spanien zu stammen scheinen, in die Lieferkette.
Solche Sicherheitslücken gilt es zu schließen. Auf Zwischenhändler, die mal dieses oder jenes Präparat „günstig“ anbieten,3 kann und sollte verzichtet werden. Sie machen die Vertriebswege von Arzneimitteln intransparent. Oder der Zwischenhandel muss zuverlässig – also aufwändig – kontrolliert werden. Noch scheint die Omeprazol-Affäre ein Einzelfall zu sein. Damit dies so bleibt, müssen alle Beteiligten jetzt dafür sorgen, dass der Arzneimittelhandel so transparent wie möglich wird.
Patienten sind durch die gefälschten Omeprazol-Generika offensichtlich nicht zu Schaden gekommen. Der Wirkstoffgehalt der Plagiate soll dem der Originalprodukte entsprochen haben. Grundsätzlich bedeuten jedoch auch anscheinend „gute“ Fälschungen ein Risiko: Es liegt in der Logik solcher kriminellen Angebote, dass sich die – nicht erkennbaren – tatsächlichen Produzenten jeder Verantwortung und Kontrolle entziehen. Und Ärzte, Apotheker und Kranke können nicht sicher sein, dass die Qualität der Plagiate, von denen nur stichprobenweise Packungen überprüft werden können, zuverlässig eingehalten wird. Es gibt also keine „guten“ Fälschungen, sondern nur kriminelle.
Stand: 1. Juni 2013 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2013 / S.25