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© AndrisTkachenko/ iStockphoto.com

Alkohol in der Schwangerschaft

Gibt es eine sichere untere Grenze?

Ist ein Gläschen Wein egal? Oder doch besser Null Promille? Empfehlungen zum Alkoholkonsum in der Schwangerschaft werden derzeit wieder kontrovers diskutiert. Wir haben uns einmal die Studienlage angesehen.

Dass starker Alkoholkonsum in der Schwangerschaft die Entwicklung des Babys schwer beeinträchtigt, ist bekannt. Alkohol ist ein Zellgift, das aus dem Blut der werdenden Mutter unmittelbar in den Kreislauf des Ungeborenen gelangt. Welche Schäden dadurch entstehen, hängt unter anderem davon ab, zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung das Ungeborene „mittrinkt“.1

Alles oder nichts

Gleich zu Beginn der Schwangerschaft, etwa in den beiden ersten Wochen nach der Befruchtung, fällt die Entscheidung, ob sich die Eizelle überhaupt in der Gebärmutterschleimhaut einnistet. Ist die befruchtete Eizelle in diesem Stadium durch Alkohol schwer geschädigt, kommt eine Schwangerschaft erst gar nicht zustande.

Frauen wissen zu diesem Zeitpunkt oft noch gar nicht, dass sie schwanger sind, und bemerken nur, dass die erwartete Regelblutung sich offenbar verzögert. Umgekehrt heißt das: Wenn sich die Eizelle einnistet, ist bis zu diesem Zeitpunkt kein Schaden entstanden.

Gestörte Entwicklung

Entwickelt sich die eingenistete Eizelle weiter, können Giftstoffe aus dem mütterlichen Blut über die Nabelschnur das ungeborene Baby erreichen. Alkohol kann dann abhängig vom Stadium der Schwangerschaft unterschied­­li­che Auswirkungen haben.

Im ersten Schwangerschaftsdrittel werden die Organe angelegt. Alkohol beeinträchtigt die Zellteilung, so dass Fehlbildungen entstehen können. Besonders gefährdet ist das Gehirn. Die Schädigungen im Mutterleib können bei den Kindern später die Entwicklung stören.

Im zweiten und dritten Schwangerschaftsdrittel mindert Alkohol das Wachstum des Ungeborenen. Deshalb sind Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Alkohol trinken, später oft kleiner als ihre Altersgenossen. Alkohol beeinträchtigt auch die Vernetzung der Nervenzellen im Gehirn. Und das Risiko für Fehl-, Früh- und Totgeburten steigt erheblich.2 Die entstandenen Schäden  werden auch als „fetale Alkohol-Spektrum-Störungen“ bezeichnet (siehe hier folgend).

Um solche Schäden zu vermeiden, raten Mediziner schwangeren Frauen dazu, grundsätzlich auf Alkohol zu verzichten.4,5,6 In den letzten Monaten gab es jedoch mehrfach Medienberichte, nach denen kleine Alkoholmengen keine schädlichen Folgen haben sollen. Diese Berichte stützten sich auf eine wissenschaftliche Untersuchung, die im Sommer 2017 erschienen ist.7 Darin analysierten Forscher Studien, die den Zusammenhang zwischen niedrigem Alkoholkonsum von Schwangeren und Komplikationen beziehungsweise FASD beim Kind untersucht haben. Als „niedriger Konsum“ galt höchstens 32 Gramm Alkohol pro Woche. Das entspricht etwa einem Viertelliter Wein oder etwas mehr als einem halben Liter Bier in einer Woche.

Im Vergleich zu Frauen, die gar keinen Alkohol trinken, ergibt sich aus den „niedrig Konsum“-Studien zwar kein eindeutig erhöhtes Risiko. Als Freibrief darf man dies dennoch nicht werten: Die Forscher weisen selbst darauf hin, dass viele Studien methodisch schlecht waren und die Fragestellung teilweise sehr unterschiedlich untersucht wurde. Das mindert die Aussagekraft und kann Unterschiede verschleiern. Jedenfalls fanden die Forscher keinen Anhalt dafür, dass es eine sichere akzeptable Untergrenze für Alkohol in der Schwangerschaft gibt.

Sicher ist sicher

Aus diesen Gründen erscheint die offizielle Empfehlung „Null Promille in der Schwangerschaft“ vernünftig. Denn das Fetale Alkohol-Syndrom lässt sich hundertprozentig vermeiden, wenn die werdende Mutter vollständig auf Alkohol verzichtet. In Europa hält sich aber jede vierte Schwangere nicht daran.2 Umso fataler ist es, dass gerade auch in Medien, die sich an junge Frauen wenden, die Botschaft kursierte: Kleine Mengen Alkohol schaden nicht.8 Denn das ist alles andere als sicher.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2018 / S.25