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©gerenme/iStock

Akute Divertikulitis

Beobachten und  abwarten

Viele haben sie, aber nur wenige mögen darüber sprechen: Darmprobleme. Ursache dafür können Ausstülpungen im Darm sein, die sogenannten Divertikel. Sind sie entzündet, verursachen sie Beschwerden. Lesen Sie, warum bei bestimmten Symptomen ein Arztbesuch so wichtig ist.

Ob Pizza, Pommes oder Paprika – alles, was wir essen und trinken, wandert durch den Darm. Täglich leistet das fünf bis acht Meter lange schlauchartige Organ richtig Arbeit: Im Magen und im Dünndarm wird die Nahrung in ihre Bestandteile zerlegt. Aus dem so entstandenen Brei nimmt die Darmwand alle nötigen Nährstoffe auf und gibt sie ins Blut ab. Der unverdauliche Rest gelangt in den Dickdarm. Dort werden dem Stuhl noch Wasser und Salze entzogen, bevor er den Körper verlässt.

Wann droht Ungemach?

Wer jung und gesund ist, merkt von der „Verdauungsarbeit“ wenig bis nichts. Doch mit zunehmendem Alter kommt es bei etlichen Menschen vor allem im Dickdarm zu Veränderungen, die erhebliche Probleme machen können: Es bilden sich sackartige Ausstülpungen der Darm­schleimhaut, so genannte Diver­tikel. Die sind zwar meist harm­los. Sie können sich aber manchmal entzünden, starke Schmerzen und unter Umständen lebensbedrohliche Komplikationen hervorrufen, die eine Operation erfordern. Ein Eingriff kann vor allem dann nötig sein, wenn sich die Entzündung über die Darmwand ausbreitet und sie zur Entzündung des Bauchfells, zu Abszessen oder Blutungen im Darm führt. Kommt es zum Darm­verschluss oder gar zum Darmdurchbruch, ist das ein Notfall, und es muss sofort operiert werden.

Zum Glück sind solche schwerwiegenden Verläufe selten. Dennoch stehen Ärzte bei der Behandlung einer akuten Divertikulitis vor einer schwierigen Frage: Sollen sie ihren Patienten immer sofort ein Antibiotikum verordnen, um Schlimmeres zu verhindern? Oder geht die Entzündung in unkomplizierten Situationen auch ohne Medikamente zurück? Schließlich gibt es gute Gründe, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren (GPSP 5/2017, S. 4). Denn die Mittel können erhebliche Nebenwirkungen haben, gerade im Darm. Gefürchtet ist zum Beispiel eine charakteristische Überwucherung des Dickdarms mit bestimmten Bakterien (Clostridium difficile) nach einer solchen Therapie (GPSP 3/2014, S. 22). Neuere Studien haben auch gezeigt, dass eine sofort eingeleitete Antibiotikabehandlung bei vielen Divertikulitis-Patienten gar keinen Vorteil bringt: Die Betroffenen erholen sich auch ohne diese Medikamente genauso schnell.

Krampfartige Schmerzen

Rund jeder Zehnte ab 50 Jahren hat Divertikel im Darm. Mit 60 Jahren hat sie ungefähr jeder Fünfte, und mit dem Alter steigt die Häufigkeit weiter an. Doch aus noch ungeklärten Gründen kommt es bei 10 bis 25 von 100 Betroffenen irgendwann dazu, dass sich ein oder mehrere Divertikel entzünden.1 Typische Anzeichen einer solchen akuten Divertikulitis sind krampfartige Schmerzen im Unter- oder Mittelbauch, die denen einer Blinddarmentzündung ähneln. Sie machen sich allerdings meist auf der linken und nicht auf der rechten Körperseite bemerkbar. Manchmal haben Betroffene auch Fieber, einige berichten über Stuhlunregelmäßigkeiten wie Verstopfung, Durchfall oder Blähungen. Mitunter ist auch Blut im Stuhl zu sehen.

Ob und wann sich Divertikel entzünden, lässt sich nicht vorhersagen. Weder Anzahl noch Größe scheinen eine Rolle dabei zu spielen, ob aus einer harmlosen Divertikulose eine akute Divertikulitis entsteht.

Was tun?

Fest steht: Wer die typischen Symptome an sich feststellt, sollte sich rasch ärztlichen Rat holen, vorzugsweise in einer Praxis für Innere Medizin. Zunächst geht es darum herauszufinden, ob es sich tatsächlich um eine akute Divertikulitis handelt. Dazu muss der Arzt nicht nur gründlich körperlich untersuchen, sondern sich auch genau erkundigen, seit wann die Schmerzen bestehen, wo sie am stärksten sind und ob der Patient oder die Patientin schon einmal unter solchen Schmerzen gelitten hat. Ähnliche Symptome können nämlich auch bei anderen Erkrankungen auftreten, und einen Test, der einen eindeutigen Nachweis für eine Divertikulitis liefert, gibt es nicht.
Blutuntersuchungen und bildgebende Verfahren wie Sonografie, Computertomografie (CT) oder MRT helfen nur wenig weiter. Sie dienen vor allem dazu, andere mögliche Ursachen für die Beschwerden abzugrenzen, wie etwa Darmkrebs oder eine chronisch entzündliche Darmerkrankung.

Das zuverlässigste Verfahren, um eine Divertikulitis festzustellen, wäre eine Darmspiegelung. Sie ist aber im akuten Zustand der Entzündung sorgsam abzuwägen, weil das angegriffene Darmgewebe dabei leicht beschädigt werden kann. Deshalb wird sie nur durchgeführt, wenn sich die Ursache der Beschwerden nicht anders klären lässt.

Wann aufpassen?

Bei einer Untersuchung muss der Arzt oder die Ärztin abklären, ob es Risiken für Komplikationen gibt. Dazu zählt ein schlechter Allgemeinzustand oder eine geschwächte Immunabwehr, zum Beispiel infolge einer Krebstherapie, einer Organtransplantation oder einer Behandlung gegen Rheumatoide Arthritis. Das erfordert eine sofortige Antibiotikatherapie. Das gilt auch, wenn es Anzeichen für Bakterien im Blut gibt, eine Blutvergiftung vorliegt oder die Körpertemperatur bereits über 39° C liegt.

Bei einer akuten Divertikulitis müssen Ärzte sofort intervenieren. Besteht nur eine leichte Entzündung, kann bereits eine vorübergehende Umstellung auf flüssige Nahrung helfen. Der Darm wird dadurch entlastet und die Schleimhäute können sich beruhigen. Bestehen keine Komplikationen, können Ärzte auf den Einsatz von Antibiotika zunächst verzichten und je nach Verlauf entscheiden. Für Betroffene mit Temperaturen unter 38° C und vergleichsweise geringen Schmerzen (ein Wert unter 4 auf einer Skala von 1 bis 10) kommt sogar eine ambulante Behandlung infrage, sofern die  Patienten in der Lage sind, ausreichend zu trinken.

Schwere Divertikulitis

Ein Patient mit schwerer Divertikulitis gehört ins Krankenhaus und darf keine feste Nahrung zu sich nehmen, sondern braucht Flüssignahrung oder eine intravenöse Ernährung. Auf Antibiotika zu verzichten, ist nur möglich, wenn der Patient oder die Patientin engmaschig kontrolliert wird. Der Grund: Tauchen doch noch Probleme auf – sei es, dass die Körpertemperatur auf über 39°C steigt, die Schmerzen zunehmen oder dass es dem Patienten immer schlechter geht – müssen die Ärzte umgehend handeln und Antibiotika anwenden oder gegebenenfalls sogar operieren.

Unklar ist, warum manche Patienten nur einen einzigen Entzündungsschub haben, während bei anderen immer wieder Entzündungen auftreten. Umstritten ist zudem, wie man einer Divertikulitis am besten vorbeugen kann. Als Risikofaktoren gelten Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und faserarme Ernährung. Sie tragen offenbar dazu bei, dass der Darm träge wird und es zu einem Stau im Dickdarm kommt.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2017 / S.08