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Wirkstoffmenge ist Zufall

Teilen auch bei Tabletten nicht so einfach

Viele Menschen müssen Tabletten halbieren oder vierteln, um die Dosierung anzupassen oder Geld zu sparen. Aber welche Tabletten dürfen überhaupt geteilt werden? Und ist dies sinnvoll oder vielleicht sogar ­riskant?

„Die Tabletten können in gleiche Teile geviertelt werden“, steht in so mancher Produktinformation, beispielsweise beim Kortisonabkömmling Prednisolon Jenapharm® 20 mg. „Wie gut oder schlecht sich aber die ‚teilbaren’ Tabletten in vier gleiche Teile brechen lassen, habe ich jüngst feststellen müssen,“ schreibt uns ein Arzt, der es selbst ausprobiert hat: „Keines der Bruchstücke hatte die Größe und damit die Dosis der anderen“ (siehe Foto).1

Ärgerliche Informationsdefizite

Nach einer Untersuchung aus Sachsen-Anhalt wird jede vierte Tablette, die Erwachsenen verordnet wird, geteilt. Dabei haben viele dieser Tabletten noch nicht einmal eine Bruchkerbe, und manche dürfen eigentlich überhaupt nicht geteilt werden. Aber die Fragen fangen schon vorher an: Welche Tabletten halbiert werden dürfen und welche nicht, steht oft weder auf der Packung noch im Beipackzettel.

Der Arzneimittel-Informationsdienst arznei-telegramm® hat die Fachinformationen – das sind die ausführlichen „Beipackzettel“ für Ärzte und Ärztinnen – der 50 am meisten verwendeten Tablettenpräparate ausgewertet. Diese repräsentieren immerhin rund 15% aller in öffentlichen Apotheken verkauften Packungen. Ergebnis: Bei fast jeder dritten finden sich keine Hinweise, ob Teilen erlaubt oder verboten ist. Wenn Teilen möglich ist, fehlen in den ausgewerteten Fachinformationen Abbildungen, wie die Tabletten am besten zu teilen sind. Auch mangelt es an Tipps, wie Bruchstücke am besten aufzubewahren sind.1

Fehlen im Beipackzettel Angaben, ob Tabletten geteilt werden dürfen oder nicht, sollte man besser darauf verzichten. Wenden Sie sich im Zweifel an Ihren Apotheker und fragen nach Tabletten in der richtigen Dosis.

Teilen ist Glückssache

Aber selbst, wenn im Beipackzettel steht, dass Teilen möglich ist, ist dies kein Garant für ein akzeptables Ergebnis. Der Erfolg von Teilungsversuchen hängt zum einen von Eigenschaften der Tablette selbst ab, beispielsweise wie hart die Tablette gepresst ist und ob sie eine Bruchkerbe trägt. Ausschlaggebend ist zudem, wie tief diese ist und ob sie ihre Funktion tatsächlich erfüllen kann – im Gegensatz zur so genannten Schmuckkerbe, die lediglich optische Gründe hat. Zum anderen spielen bei Teilungsversuchen die Fingerbeweglichkeit und die Kraft eine Rolle, und nicht zuletzt auch das Sehvermögen.

Die besten – aber dennoch nicht überzeugenden – Resultate bringen Tablettenteiler, die in Apotheken für rund 5 Euro zu haben sind. Belgische Apotheker haben vor kurzem überprüft, wie präzise die verschiedenen Methoden, Tabletten zu halbieren und zu vierteln, sind.2 Bei Verwendung eines Teilers weicht „nur“ jedes fünfte Tablettenstück um mehr als 15% vom berechneten Gewicht ab, jedes zwölfte allerdings um mehr als 25%. Am schlechtesten schneidet die Küchenmessermethode ab, bei der jedes dritte Fragment mehr als 15% und jedes sechste mehr als 25% vom Soll abweicht. Außerdem sprangen bei dieser Methode den ungeübten Testpersonen bisweilen Bruchstücke auf den Boden.

Was nicht geteilt werden darf

Generell nicht geteilt werden dürfen harte und weiche Kapseln, die meisten Dragees, aber auch viele Tabletten. Oft hängt dies von besonderen Eigenschaften der Wirkstoffe ab. Manche können Familienangehörige oder Helfer sogar schädigen. Dies gilt beispielsweise für Krebsmittel (Zytostatika) und Retinoide, die etwa bei schwerer Akne oder starker Schuppenflechte eingenommen werden, sowie für das Prostatamittel Finasterid. Frauen, die (möglicherweise ohne es zu wissen) schwanger sind, dürfen keine Bruchstücke anfassen, weil der Wirkstoff durch die Haut dringen und das werdende Kind möglicherweise schädigen kann.
Teilungsverbot gilt auch für Tabletten mit magensaftresistentem Überzug. Dieser soll Wirkstoffe wie etwa den Säureblocker Omeprazol davor schützen, bereits im Magen aufgelöst und durch die Säure inaktiviert zu werden. Denn die Tablette muss unbeschadet den Darm erreichen, um vom Körper aufgenommen und wirksam zu werden. Durch Tablettenteilung geht dieser Schutz verloren. Bei lichtempfindlichen Wirkstoffen wie Nifedipin haben die Tabletten einen schützenden Überzug, darum müssen sie ganz bleiben.

Viele Präparate mit verzögerter Wirkstofffreisetzung (Retardpräparate) dürfen ebenfalls nur im Ganzen geschluckt werden. Geht die Retardierung durch Teilen verloren, besteht die Gefahr, dass der Wirkstoff viel zu rasch freigesetzt wird und dadurch verstärkt unerwünschte Wirkungen auslöst.1

Falsche Sparsamkeit

Bisweilen werden Tabletten aus Gründen der Sparsamkeit halbiert oder sogar geviertelt. So sind 100 Tabletten zu 10 mg eines Wirkstoffes in der Regel deutlich preiswerter als zwei Packungen mit 100 Tabletten zu 5 mg. Gegebenenfalls fällt eine Zuzahlung weniger an, wenn statt zwei nur eine Packung verordnet wird. Kompliziert wird die Situation durch Rabattverträge, wenn in der Apotheke ein Medikament, das geteilt werden soll, durch ein wirkstoffgleiches ersetzt wird. Bei jedem zehnten Austausch könnte ein Präparat abgegeben werden, das sich überhaupt nicht zum Teilen eignet.

Manches spricht aus medizinischer Sicht gegen die Tablettenteilerei: Die Verwechslungsgefahr steigt, wenn verschiedene Tabletten geteilt werden und man am nächsten Tag nicht mehr weiß, welches Bruchstück aus welcher Packung stammt. Zusätzlich ist die Sicherheit gefährdet, wenn Tablettenbruchstücke offen herumliegen: Kinder könnten sie schlucken. Die Wirksamkeit kann durch äußere Faktoren wie Feuchtigkeit, Verlust von Wirkstoff durch Zerkrümeln von Tabletten beim Brechen usw. beeinträchtigt werden. Daher sollte man Tabletten keinesfalls auf Vorrat teilen.

Bedenklich erscheint es uns, dass die Wirkstoffmenge selbst bei Tabletten mit Bruchkerbe zum großen Teil dem Zufall überlassen bleibt. Wir empfehlen daher, Tabletten nur im Ausnahmefall zu teilen. Die Hersteller müssen allerdings ihre Informationen zur Teilbarkeit von Tabletten dringend verbessern und systematisieren. Wir raten davon ab, Tabletten aus Sparsamkeit regelmäßig zu teilen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2011 / S.06