Zum Inhalt springen

Der Professor als Werbeträger

Als Patient liest man normalerweise keine medizinischen Studien. Aber viele Menschen richten sich nach den Aussagen von Fachleuten, weil sie sich von ihnen Durchblick erhoffen. Doch Experten sind nicht immer unabhängig.

Besonders vertrauenserweckend wirken Aussagen von Fachleuten, die an einer Universität lehren oder für eine Vereinigung sprechen, die als neutral und verbrauchernah erscheint. Hersteller von Arzneimitteln und anderen Produkten, die der Gesundheit dienen sollen, vermarkten ihr Sortiment daher nicht nur mit Hilfe von Personen des öffentlichen Lebens, wie der Sportlerin Birgit Fischer (GPSP Nr. 3/2006, S.4), sondern auch mit der Meinung von Fachexperten. Einer von ihnen ist Prof. Dr. Hans-Ulrich Klör, der an der Universität Gießen als Leiter der Abteilung für Magen-Darmerkrankungen tätig ist.

Sponsorenliste zum „Tag des Cholesterins“
Die Liste der Sponsoren zum „Tag des Cholesterins“ (4) lässt an der Unabhängigkeit der Lipid-Liga zweifeln. Quelle: http://www.lipid-liga.de/pdf/Flyer_2006_Web.pdf, download 20.6.2006

Prof. Dr. Klör sitzt im Vorstand der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga) e.V., die insbesondere durch Hersteller von Cholesterinspiegel-senkenden Arzneimitteln – wie dem Pharmakonzern Pfizer – unterstützt wird (siehe Abbildung). In dieser Funktion hat er sich zum Beispiel für den von Pfizer vertriebenen Lipidsenker Atorvastatin (Sortis®) stark gemacht.1 Der gemeinsame Bundesausschuss (G BA)2 hat dennoch festgestellt, dass Atorvastatin gegenüber vergleichbaren Produkten keine Vorteile hat, die einen höheren Preis rechtfertigen. Deshalb erstatten die Krankenkassen für dieses Präparat den gleichen Festbetrag wie für andere Lipidsenker. Pfizer senkte den Preis aber nicht, daher fallen für Atorvastatin hohe Zuzahlungen an (GPSP 12/2005, Seite 7).

Ausschnitt aus t-online
Der Pharmakonzern Pfizer will das Anti-Rauch-Medikament Vareniclin auf den Markt bringen. T-online zitiert den scheinbar neutralen Wissenschaftler Prof. Dr. Klör: „Offenbar handelt es sich hierbei um eine sehr wirksame Substanz’.“(5) Geschäftliche Verbindungen von Prof. Dr. Klör und dem Hersteller Pfizer werden nicht erwähnt. Auch die Wirksamkeit von Vareniclin zur Raucherentwöhnung ist übertrieben dargestellt. Langfristig unterscheidet sie sich offenbar nicht von anderen Entwöhnungsmethoden.(6) – Quelle: http://www2.onleben.t-online.de/dync/74/39/16/7439168.html abgerufen 20.6.2006

Neuerdings ist der Magen-Darm Spezialist Prof. Dr. Klör auch in einem ganz anderen Ressort tätig: der Raucherentwöhnung. Er hält nicht nur hier und da Vorträge zum Thema, sondern hat die Ärzte- Initiative Raucherhilfe (AIR) gegründet.3 Aufschlussreich ist, dass sie – der Einfachhalt halber – dieselbe Kontaktadresse hat wie die Lipid-Liga. Hinter der Neugründung steht der Pharmariese Pfizer, der nicht nur Nikotinersatzprodukte wie Nicorette® (als Kaugummi oder Pflaster im Handel) anbietet, sondern gerade in den USA eine Zulassung für eine neue Nikotinentwöhnungspille mit dem Wirkstoff Vareniclin (Chantix®) erhalten hat. Prof. Dr. Klör ist übrigens nicht nur Gründer von AIR, sondern seit kurzem Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Nikotinforschung, die mit AIR verbandelt ist. Dass auf der Homepage beider Organisationen kaum unabhängige Informationen stehen, verwundert nicht. Es finden sich dort Kongresshinweise und so verräterische Links wie den zu Pfizers Nicorette®.

Bezeichnend – und im Pharmamarketing durchaus üblich – sind noch andere Arrangements: Nachdem Prof. Dr. Klör auf einem kleinen Kardiologentreffen in Potsdam, einen Workshop zur Nikotinentwöhnung geleitet hat, taucht er bald darauf in einer Pressemitteilung von Pfizer als zitierfähiger „Tabakexperte“ auf.3 Dies ist einer der Gründe, weshalb solche Experten von Kritikern als „Mietmäuler“ bezeichnet werden. Pfizer hatte den erwähnten Workshop finanziert. Davon steht in der Pressemitteilung allerdings nichts.

Fazit: Auch der Meinung von Hochschullehrern zu Arzneimitteln kann man nicht uneingeschränkt trauen, wenn sie von der Pharmaindus trie unterstützt werden. Denn auch hier gilt: „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing!“

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2006 / S.03