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Roter Reis bleibt gefährlich

Behörden handeln im Schneckentempo

Nahrungsergänzungsmittel mit rotem Reis werden zur „natürlichen“ Cholesterinsenkung angeboten. So ganz natürlich ist das nicht, denn sie enthalten den gleichen Wirkstoff wie ein rezeptpflichtiges Arzneimittel. Das Bundesinstitut für Risikobewertung warnt jetzt erneut,1 aber entschiedenes Handeln sieht anders aus.

Die hierzulande angebotenen Nahrungsergänzungsmittel mit Rotschimmelreis enthalten meist beträchtliche Mengen von Monacolin K. Das ist ein Statin, das mit dem verschreibungspflichtigen Cholesterinsenker Lovastatin identisch ist. Solche Nahrungsergänzungsmittel sind schon deshalb nicht mit dem traditionell in China oft als Färbemittel eingesetzten roten Reis gleichzusetzen, da dieser meist kaum oder kein Monacolin K enthält.2

Trotz Sicherheitsbedenken 3 hatte die europäische Lebensmittelbehörde EFSA 2012 den Herstellern eine gesundheitsbezogene Aussage erlaubt: „Monacolin K aus Rotschimmelreis trägt zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut bei.“ Dabei muss nach Ansicht der EFSA der Mindestgehalt (!) 10 mg Monacolin K pro Tag betragen. Das entspricht der Wirkstoffmenge, die das rezeptpflichtige Lovastatin enthält. Entsprechend sind auch die unerwünschten Wirkungen des Arzneimittels zu erwarten. Noch riskanter kann es werden, wenn ein solches Nahrungsergänzungsmittel zusätzlich zu einem cholesterinsenkenden Medikament eingenommen wird.

© Thomas Kunz

Obwohl die Risiken seit bald 20 Jahren bekannt sind4 – und das Bundesinstitut für Risikobewertung 2010 und 2014 vor Produkten mit rotem Reis gewarnt hatte1 – handeln die Behörden mehr als zögerlich. 2016 gab die deutsche Arzneimittelbehörde BfArM bekannt, dass sie Produkte mit mehr als 5 mg Monacolin K als Arzneimittel betrachtet, die einer Zulassung bedürfen. Praktische Folgen hatte das aber kaum, denn Nahrungsergänzungsmittel können ohne jede Kontrolle auf den Markt gebracht werden, und für die Überwachung des Marktes sind die Länderbehörden zuständig. Bis heute findet man Produkte, die sogar explizit mit einer Dosis von 10 mg oder mehr werben.

Auch in anderen EU-Staaten gab es Warnungen; deshalb hatte die EFSA eine Bewertung der Risiken eingeleitet, die im Juni 2018 veröffentlicht wurde.5 Das Ergebnis: Es lässt sich keine Dosis bestimmen, die so niedrig ist, dass sie zweifelsfrei sicher ist. Die EFSA-Bewertung hat bislang aber zu keinen Konsequenzen geführt.

Jetzt hat sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erneut mit den Gefahren auseinandergesetzt.1 Anlass war eine neue Metaanalyse von Studien, die angeblich die Harmlosigkeit von rotem Reis bestätigte. Das Institut bewertete die Analyse aber als wenig aussagekräftig, da die meisten Studien zu kurz waren, und wesentliche Nebenwirkungen wie beispielsweise die von Statinen bekannte Schädigung der Muskulatur nicht oder nicht systematisch erfassten.

Im Ergebnis schätzt das BfR Nahrungsergänzungsmittel mit Rotschimmelreis potenziell als gefährlich ein. Niemand sollte sie einnehmen. Es sieht im Moment trotzdem nicht danach aus, dass die Produkte vom Markt verschwinden.

Stattdessen hat sich die EU gerade über die Beschränkung der Menge eines anderen problematischen Stoffes geeinigt, der bei der Fermentierung zu rotem Reis entstehen kann: Citrinin schädigt die Niere, kann Krebs auslösen und Ungeborene im Mutterleib schädigen.1 Der Stoff darf in Nahrungsergänzungsmitteln mit rotem Reis ab 1.4.2020 nur noch in sehr geringer Menge vorkommen.6

Warum roter Reis nicht einfach auf EU-Ebene verboten wird, ist schwer verständlich. Hier wird eine Branche geschützt, die mit der Angst vor Erkrankungen und unrealistischen gesundheitlichen Versprechungen Geschäfte macht. In der Schweiz wurde bereits 2014 klargestellt, dass Produkte mit Rotschimmelreis weder als Medikament noch als Lebensmittel in der Alpenrepublik vertrieben werden dürfen.7

Wenn Sie befürchten, dass Ihr Cholesterinspiegel zu hoch ist, sprechen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt. Falls Sie tatsächlich ein hohes Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung haben, kommen zur Behandlung die gut untersuchten Statine infrage. Und wer keine Fettsenker braucht, der braucht auch keinen roten Reis.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2020 / S.25