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© jfybel/ iStockphoto.com

Paracetalgin® – schneller mit Algen?

Warum ein „besonderes“ Paracetamol nicht überzeugt

Wenn der Kopf pocht, soll eine Schmerztablette mit Paracetamol schnell Abhilfe schaffen. Kann das neue und teurere Präparat Paracetalgin® das tatsächlich besser als die „alten“ ­Paracetamol-Tabletten?

Paracetamol gilt als bewährtes Schmerz- und Fiebermittel, dessen Nutzen, Grenzen und Risiken in den letzten 60 Jahren umfassend erforscht worden sind. Kann es da noch etwas Neues geben – oder gar etwas richtig „Innovatives“?

Offenbar musste auch die Firma Ratiopharm darüber länger nachdenken, die seit 1973 Paracetamol-Tabletten anbietet. Beworben wird seit April 2021 ein „besonderes Paracetamol“, das unter dem Namen Paracetalgin® auf dem Markt ist. Nach Recherchen des arznei-telegramm® handelt es sich dabei um ein Generikum (Nachahmer-Präparat) eines irischen Produkts, das in verschiedenen Ländern vertrieben wird.1

Schneller mit Algen?

Beworben wird das Präparat damit, dass es bei Kopfschmerzen schneller wirke als herkömmliche Paracetamol-Tabletten – angeblich bereits nach zehn Minuten. Dafür ist der Hilfsstoff Algin zugesetzt, der die Tabletten nach der Einnahme schneller im Magen zerfallen lässt. Dabei wird der Wirkstoff frei, kann vom Körper rasch aufgenommen werden und seine schmerzstillende Wirkung entfalten. Die Sache mit Algin ist allerdings keine echte Neuigkeit, wird diese Substanz doch seit vielen Jahrzehnten bei der Tablettenherstellung eingesetzt.

Alles grün?

Im Werbespot für Paracetalgin® hat Algin offenbar aber noch eine ganz andere Funktion: Damit kann der Anbieter nämlich mit einem „natürlichen Zusatz“ werben. Das ist in der Sache zwar richtig, weil Algin aus Braunalgen gewonnen wird. Gleiches gilt aber auch für andere Hilfsstoffe, die üblicherweise bei der Tablettenherstellung eingesetzt werden, etwa Milchzucker (Lactose) oder Stärke. Man hat den Eindruck, als würde das Marketing mühsam nach Verkaufsargumenten suchen.

Wirklich viel schneller?

Aber wie steht es jetzt um Nachweise für die vermeintlich schnellere Wirksamkeit als „klassische“ Paracetamol-Tabletten? Mit welchem Präparat Paracetalgin® in den Untersuchungen verglichen wurde, konnte das arznei-telegramm® nicht herausfinden, denn dem Anbieter Ratiopharm liegen nach eigener Aussage als Lizenznehmer des Generikums die entsprechenden Daten gar nicht vor.

Den Vergleich zu kennen, wäre jedoch wichtig: Ist Paracetamol erst einmal aus Tabletten freigesetzt, wird es vom Körper schnell und nahezu vollständig aufgenommen. Die Freisetzungsgeschwindigkeit ist für den Wirkungseintritt also durchaus wichtig, kann bei Paracetamol-Tabletten aber durchaus unterschiedlich sein. In einer älteren vergleichenden Untersuchung lagen die herkömmlichen Paracetamol-Tabletten von Ratiopharm im Mittelfeld – es gab also auch Präparate, aus denen Paracetamol schneller freigesetzt wurde. Wie sich Paracetalgin® in diesem Vergleich geschlagen hätte, ist unklar.

Deutlicher Aufpreis

Auch wichtig zu wissen: Auf nüchternen Magen eingenommen, gelangt Paracetamol schneller ins Blut als nach einer ausgiebigen Mahlzeit. Für übliche Paracetamol-Tabletten wird angegeben, dass die maximale Konzentration im Blut nach 30 bis 60 Minuten erreicht wird; für Paracetalgin® werden in der Fachinformation 25 Minuten genannt. Ob „das besondere Paracetamol“ also tatsächlich viel schneller Kopfschmerzen lindert als herkömmliche Paracetamol-Tabletten und ob dieser Unterschied für Betroffene wirklich den um 30 Prozent höheren Preis rechtfertigt, bleibt offen.

Paracetamol
GPSP 2/2020, S. 10

Generika
GPSP 6/2012, S. 22

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2021 / S.10