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©Schlierner/ fotolia

Weiterpanschen trotz Verbot

Was passiert eigentlich, wenn vor Nahrungsergänzungsmitteln gewarnt wird, weil sie bei Überprüfungen stark wirkende chemische Bestandteile enthielten, die überhaupt nicht deklariert waren? Verpuffen solche Warnungen, weil Anbieter ihre Panschereien weiterhin ungehindert und ungestraft per Internet über Landesgrenzen hinweg anbieten können (GPSP 6/2014, S. 27)? In einer kleinen Studie wurde jetzt erstmals überprüft, ob solche Produkte weiterhin verkauft werden und verborgene chemische Beimischungen enthalten, obwohl die US-amerikanische Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachungsbehörde FDA sogar die Marktrücknahme angeordnet hatte.

Jedes zehnte der 274 im Zeitraum 2009 bis 2012 von der FDA zurückgerufenen Nahrungsergänzungsmittel wurde erneut untersucht. Auswahlkriterium für die Stichprobe war, dass die Produkte im Juli und August 2013 über die Internetseiten der Anbieter oder im Handel erhältlich waren – also zwischen 8 und 52 Monate nach der FDA-Anordnung. Zudem wurden nur solche Nahrungsergänzungsmittel berücksichtigt, bei denen die Angaben zu Produktname, Hersteller und Anbieter mit denen der FDA-Warnschreiben übereinstimmten. Dem Labor, das die so erfassten 27 Mittel – unabhängig von der FDA – noch einmal auf chemische Bestandteile prüfte, wurde die Vorgeschichte der Produkte nicht mitgeteilt, sondern lediglich der beworbene Anwendungszweck, also beispielsweise Gewichtsabnahme oder Förderung der Sexualität.

Das Ergebnis: Zwei Drittel (18 von 27) der Mittel waren erneut mit nicht deklarierten chemischen Stoffen gepanscht. Abgesehen von einem Produkt fielen die gleichen Bestandteile wie zuvor im Analyselabor auf. 6 der untersuchten Produkte enthielten zudem einen oder mehrere zusätzliche Bestandteile, die in den FDA-Laboren nicht identifiziert worden waren.1

Selbst eindeutige behördliche Rückrufe sind im nahezu unkontrollierten Markt der Nahrungsergänzungsmittel somit nicht sehr effektiv.2 Umso wichtiger ist es, Informationen über entlarvte Panschereien zu verbreiten. Mit dieser Ausgabe haben wir erneut unsere frei zugängliche Internetdatenbank „Gepanschtes“ aktualisiert: Weitere 16 bedenkliche Produkte konnten wir aufspüren. Unter www.gutepillen-schlechtepillen.de (→ Gepanschtes) nennen wir inzwischen weit mehr als 1.300 illegale Nahrungsergänzungsmittel.

Neu gefundene gepanschte Produkte

Black Storm, Gra-MaxX Gold, Triple MiracleZen Platinum

Bei diesen angeblich rein pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln, die eine Erektion fördern sollen, stießen amtliche Prüfer auf die verschreibungspflichtigen Wirkstoffe Sildenafil (Viagra® u.a.) und/oder Tadalafil (Cialis®). Belegt ist, dass solche nicht deklarierten – also verheimlichten – chemischen Erektionsförderer lebensbedrohliche Folgen haben können, beispielsweise wenn Herzkranke gleichzeitig Nitropräparate wie Isosorbiddinitrat (ISDN) oder ähnliche Arzneimittel gegen Angina pectoris einnehmen (GPSP 2/2013, S. 4). In Kombination mit einem (gepanschten) Erektionsförderer kann der Blutdruck lebensbedrohlich abfallen.

Bee Slim, Bee Thin, Forever Beautiful Bee Pollen*, RAPHA Vitamin B, Sit and Slim II, Slim Vie, Super Accelerator, V26 Slimming Coffee

In diesen angeblich natürlichen Produkten zum Abnehmen wurde der appetithemmende Wirkstoff Sibutramin (Reductil®) gefunden, der seit 2010 in Europa wegen Herz-Kreislauf-Schädlichkeit nicht mehr verkauft werden darf.

In dem mit einem Sternchen (*) gekennzeichneten Produkt fanden Analytiker Sibutramin und/oder das Abführmittel Phenolphthalein, das in Deutschland schon vor Jahren aus dem Handel gezogen wurde, weil es möglicherweise Krebs auslöst.

Ginseng Kianpi Pi, Mayhem

In diesen als Nahrungsergänzung verkauften Produkten, die unter anderem zur Steigerung des Appetits angeboten werden, wurden das stark wirkende Kortikoid Dexamethason (Fortecortin® u.a.) und das Antiallergikum Cyproheptadin (Peritol®) nachgewiesen. Weil Antiallergika appetitsteigernd wirken können, wurde diese „Neben“-Wirkung von Cyproheptadin bis etwa 2009 in Deutschland zur Hauptwirkung gemacht und das Mittel auch als appetitsteigerndes Medikament angeboten. Die Vermarktung wurde wegen unzureichend belegten tatsächlichen Nutzens bei dieser Anwendung nach jahrzehntelangem Gebrauch wieder gestrichen.

Mega Slim Herbal Appetite Management Pills, RegeneSlim Appetite Control Kapseln

In diesen als Nahrungsergänzungsmittel angebotenen Produkten fand sich bei Kontrollen der stimulierende Wirkstoff Dimethylamylamin (DMAA). Gegen diese Substanz bestehen erhebliche Sicherheitsbedenken. Sie kann den Blutdruck erhöhen und potenziell das Herz-Kreislauf-System schädigen. Bereits im Jahr 2012 wurden mehr als 40 Berichte zu schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen in Verbindung mit DMAA erfasst, darunter mindestens zwei tödliche. DMAA steigert den Blutdruck und das Risiko von tödlichen Herzinfarkten und Hirnblutungen. Das putschende Mittel gilt weltweit als Dopingsubstanz und ist bei Wettkämpfen strikt verboten. Wegen der schweren unerwünschten Wirkungen ist DMAA in Europa seit 2012 überhaupt nicht mehr in Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt, unabhängig davon, ob der Stoff deklariert ist oder nicht (s. GPSP 2014/2, Seite 27).

Feng Shi Ling

Dieses angebliche Kräutermittel wurde zur Behandlung von Gelenk- und Knochenschmerzen propagiert. Bei der Überprüfung im Labor fanden sich darin die als Schmerz- und Rheumamittel verwendeten Entzündungshemmer Diclofenac (Voltaren® u.a.) und Indometacin (Indo-ct u.a.). Diese werden im Magen-Darm-Trakt oft schlecht vertragen und können auch schwere Magen-Darm-Schädigungen auslösen, beispielsweise Blutungen und Geschwüre.

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2015 / S.27