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Multimedikation: Weniger ist manchmal mehr

Viele ältere Menschen haben verschiedene Erkrankungen oder Beschwerden, die jahrelang medikamentös behandelt werden. Sie nehmen oft täglich fünf oder mehr Arzneimittel ein. Da sich aber Medikamente häufig gegenseitig ungünstig beeinflussen, sollten sie von Zeit zu Zeit den Medikamentenplan inklusive frei verkäuflicher Präparate überprüfen lassen.

Oft summiert sich im Laufe der Zeit die Zahl der regelmäßig eingenommenen Medikamente. Das bringt nicht nur Probleme wegen der sich addierenden Nebenwirkungen der verschiedenen Medikamente mit sich, sondern die Wirkstoffe beeinflussen sich oft auch gegenseitig. So kann sich die Wirksamkeit des einen durch ein zweites verstärken; oder sie kann sich auch abschwächen, so dass die Dosis nicht mehr aus-reicht, nachdem eine weiteres Medikament verordnet wurde.

Ebenso können neue unerwünschte Wirkungen auftreten oder vorhandene stärker werden. Die Art der Wechselwirkungen zwischen Medikamenten ist vielfältig.

Wie ein Patient oder eine Patientin reagiert, lässt sich kaum vorhersagen. Zwar sind in jedem Beipackzettel die möglichen Wechselwirkungen gelistet, und für Ärzte gibt es Datenbanken, die solche Informationen enthalten. Aber je mehr Präparate genommen werden, desto unübersichtlicher wird die Situation.

Arzneistoffe werden in Studien normalerweise nur als Einzelsubstanz untersucht – über die Konsequenz der vielfältigen Kombinationen im Alltag ist noch viel zu wenig bekannt. Nur eines ist sicher: Je mehr Präparate ein Patient einnimmt, desto wahrscheinlicher werden Wechselwirkungen, und die Zahl der unerwünschten Effekte steigt. Häufige Beschwerden durch Arzneimittel sind Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Schwindel, Übelkeit, Benommenheit, Verstopfung, Kopfschmerzen, Blutungen. Dann verordnet der Arzt und die Ärztin möglicherweise ein weiteres Medikament, um diese „Neben“wirkung zu bekämpfen. Das macht die Sache oft nicht besser.1,2

Überblick hat der Hausarzt

Das beste Mittel gegen Wechselwirkungen durch Multimedikation ist eine regelmäßige Überprüfung des Medikamentenplans. Dazu können Sie als Patient mit Ihrem Hausarzt einen separaten Termin vereinbaren. Notieren Sie sich zuvor alle Medikamente, die Sie einnehmen – auch solche, die Sie von weiteren Ärzten, insbesondere zusätzlich konsultierten Fachärzten, bekommen. Vergessen Sie vor allem nicht die Produkte, die Sie sich selbst in der Apotheke, im Internet oder der Drogerie besorgen! Diese so genannte Selbstmedikation ist heutzutage weit verbreitet und sorgt für zusätzliche Risiken. Beispielsweise beeinflussen Ginkgo oder Johanniskraut die Wirkung anderer Medikamente.

Von manchen Präparaten ist bekannt, dass sie für ältere Menschen nicht gut verträglich sind und deshalb gemieden werden sollten. Dazu wurde die so genannte PRISCUS-Liste entwickelt. Sie schlägt Ärztinnen und Ärzten entsprechende Medikamente zum Austausch vor oder öfter auch nicht-medikamentöse Maßnahmen.

Multimedikation: Worauf zu achten ist

Die Indikation für jedes einzelne Medikament sollte genau unter die Lupe genommen werden. Dabei finden sich immer wieder solche, die nicht (mehr) notwendig sind. So kommt es zum Beispiel vor, dass ein Präparat bei einer akuten Erkrankung verordnet wurde, dann aber weiter eingenommen wird, obwohl die Beschwerden abgeklungen sind.

Wenn eine Arznei nicht die gewünschte Wirkung zeigt, ist der Versuch angebracht, sie wieder wegzulassen. Auch können manche medizinischen Behandlungsziele wie die Einstellung eines „idealen“ Blutzucker- oder Blutdruckwerts unangemessen hoch gesteckt sein, zumal diese Werte oft umstritten sind oder nicht für jede Personengruppe gelten.

Klären Sie mit Ihrem Arzt, ob wirklich für alle Ihre Medikamente die Wirksamkeit gut belegt ist. Wenn nicht, wäre auch das ein Argument für Verzicht. Außerdem ist die Überlegung wichtig, welche Störungen und Symptome wirklich unbedingt behandelt werden müssen. Solche Überlegungen sollten auch bezogen auf das eigene Alter und die Lebens-umstände im-mer wieder neu angestellt werden.Nach einer Bestandsaufnahme können Sie und Ihr Arzt weiter über das gemeinsame Vorgehen entscheiden. Keinesfalls sollten Sie aber in Eigenregie eine verordnete Arznei absetzen oder die Dosierung verändern.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2015 / S.22