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© Milkos/ iStockphoto.com

Muskelschmerzen durch Statine

Absetzen, Dosis verringern, pausieren … was tun?

Statine gehören zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten überhaupt. Sie senken die Blutfettwerte und helfen, Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems vorzubeugen. Bei manchen Menschen rufen sie jedoch Muskelschmerzen hervor. Es kann selten auch zu Muskelschäden kommen. Auf die Frage „Was tun?“, um solche unerwünschten Wirkungen zu verhindern, gibt es keine einfache Antwort.

Das ist durch Studien belegt: Statine wie Simvastatin oder Pravastatin können Leben verlängern.1 Sie senken bei Personen mit bestimmten Vorerkrankungen das Risiko, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. Statine hemmen ein Enzym, das in der Leber an der Bildung von Cholesterin maßgeblich beteiligt ist. Sie werden daher auch Cholesterin-Synthese-Hemmer, kurz CSE-Hemmer, genannt.

Die Enzymhemmung sorgt dafür, dass weniger LDL-Cholesterin im Blut zirkuliert. Davon lagert sich dann weniger in den Arterienwänden ab („Arterienverkalkung“).  Ob allein dieser Effekt tatsächlich zu weniger Schlaganfällen und Herzinfarkten führt, ist nicht klar, denn Statine haben auch andere, günstige Wirkungen.2

Statine gehören daher bei Arterienverkalkung, nach Herzinfarkt und nach Schlaganfall zur Standardtherapie. Aber sie können, wie jedes andere Medikament, auch unerwünschte Wirkungen hervorrufen, beispielsweise Mus­-
kelschmerzen.

Gefährliche und ungefähr­liche Muskelschmerzen

Manche Menschen, die Statine einnehmen, fühlen sich einfach schwach. Seltener (weniger als einer von 1.000) haben sie Schmerzen, die einem Muskelkrampf oder einem Muskelkater ähneln. Die Beschwerden können auch so stark sein, dass Arme und Beine schwer zu bewegen sind. Sehr selten (weniger als einer von 10.000) kann es sogar dazu kommen, dass Muskelfasern zerstört werden und die Niere geschädigt wird (Rhabdomyolyse).

Eine mögliche Ursache muskulärer Beschwerden ist, dass das Statin individuell zu hoch dosiert ist, also zu viel Wirkstoff im Körper vorhanden ist. Das kann auch passieren, wenn der Körper den Wirkstoff nicht genügend ausscheiden oder abbauen kann – etwa aufgrund einer Nierenschwäche oder unter dem Einfluss zusätzlich eingenommener Medikamente.

Entsorgungsprobleme

Die Leber baut Statine mithilfe von Enzymen ab (Cytochrom-abhängige Oxygenasen). Diese werden allerdings von einigen Medikamenten gehemmt. Dazu gehören bestimmte Antibiotika wie Erythromycin und Azithromycin, aber auch Antimykotika (Pilzmedikamente) wie Itraconazol.3 Werden solche Wirkstoffe zusammen mit Statinen eingenommen, arbeiten die Enzyme weniger, was zum Anstieg der Statinkonzentration im Körper führen kann.4 Nicht nur Medikamente können Entsorgungswege von Statinen behindern. Auch Grapefruitsaft hemmt diese Enzyme (siehe GPSP 3/2010, S. 3).

Darüber hinaus gibt die Grundlagenforschung Hinweise, dass die genetische Veranlagung bei der Statine-Entsorgung eine Rolle spielen kann. Ob sich die Erkenntnis für die Therapie nutzen lässt, ist allerdings offen.

Falsche Versprechungen für Gentest?

Nichtsdestotrotz bewirbt die Arzneifirma Stada bereits einen Gentest, der erkennen soll, ob ein Mensch ein höheres Risiko für muskuläre Beschwerden in sich trägt. Wenn dieser Test bestimmte Genvarianten entdeckt, sollen Ärzte die Statine geringer dosieren oder gar nicht verordnen. Das Problem dabei: Zwar können Genvarianten den Statin-Abbau erschweren, ob aber das Risiko von Muskelschmerzen oder gar Muskelschäden tatsächlich sinkt, wenn die Statin-Therapie den Ergebnissen von Stadas Gentest angepasst wird, ist nicht belegt.5

Unklar ist auch, wie stark Statine tatsächlich an Muskelbeschwerden beteiligt sind. Von Studienteilnehmern, die ein Statin einnahmen, klagten in einem Zeitraum von fünf Jahren rund ein halbes Prozent mehr über Muskelschmerzen als jene Studienteilnehmer, die ein Placebo einnahmen. Der Unterschied: 11,7% bzw. 11,4%.1 Möglicherweise werden Statine also oft zu Unrecht als Auslöser dieser Schmerzen beschuldigt. Auch andere Untersuchungen weisen darauf hin, was auf einen starken subjektiven Aspekt bei dieser Nebenwirkung hindeutet.6

Was tun bei Muskel­­schmerzen?

Unabhängig von der Frage, wie oft Statine Muskelschmerzen hervorrufen, müssen Ärzte solche Beschwerden sorgsam abklären, schreibt das arznei-telegramm®, einer der Mitbegründer von GPSP. Einerseits ist es wichtig, einen schweren Muskelschaden rechtzeitig zu erkennen. Andererseits wäre es gefährlich, die gut wirksame Therapie zu beenden, wenn das Statin gar nicht Ursache der Beschwerden ist.

Wenn Sie also ein Statin einnehmen und Muskelschmerzen bekommen oder sich sehr schwach auf den Beinen fühlen, müssen Sie darüber möglichst bald mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sprechen. Gemeinsam sollte dann entschieden werden, ob beispielsweise die Dosis des Statins verringert wird (Dosisreduktion) oder ob es sofort abgesetzt und auf ein anderes Präparat gewechselt wird. Da sich verschiedene Statine in ihrer Verstoffwechslung voneinander unterscheiden, kann ein Wechsel des Wirkstoffs Besserung bringen.

Was noch zu bedenken ist

Hinter Muskelbeschwerden oder einer CK-Erhöhung (siehe Kasten) können auch körperliche Anstrengung, eine entzündliche rheumatische Erkrankung (Polymyalgia rheumatica) oder eine Cortison-Therapie stecken.
Des Weiteren gibt es einige Faktoren, die Muskelschmerzen durch Statine wahrscheinlicher machen. Dazu gehören ein höheres Lebensalter (über 65 Jahre), Nierenschwäche (Niereninsuffizienz), eine Schilddrüsenerkrankung und erhöhter Alkoholkonsum.

Schützt Nahrungsergänzung?
Die Werbung und sogar einige Ärzte empfehlen bei Muskelschmerzen Nahrungsergänzungsmittel wie Roten Reis, aber auch Vitamin C oder das Coenzym Q10 (auch Ubichinon Q10) zu kaufen. Ob aber solche Mittel halten, was sie versprechen, ist gar nicht belegt. Und mit Risiken ist zu rechnen. Von Roter-Reis-Produkten, die Statine in unkalkulierbarer Menge enthalten, raten wir wegen der besonderen Risiken ab.

Fazit

Bei einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Statine sehr nützliche Medikamente. Besteht aber der Verdacht, dass sie Muskelbeschwerden hervorrufen, muss dem systematisch nachgegangen werden. Ein Beschwerdetagebuch kann dabei helfen. Nur schrittweise lässt sich ergründen, wo die Ursachen stecken und was zu tun ist. Es ist auch möglich, dass ein Statin beim nächsten Einnahmeversuch gut vertragen wird.

Cholesterin: GPSP 4/2007, S. 3; GPSP 5/2014, S. 13

Roter Reis: GPSP 3/2016, S. 10GPSP 5/2016, S. 9

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2017 / S.12