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© alvarez/ iStockphoto.com

Spermidin: Forever young?

Wer möchte das nicht, wenn er in die Jahre kommt: Ein unverfängliches Mittel schlucken, das dafür sorgt, dass der Körper – wie in jungen Jahren – die Zellen frisch hält. An diesem ererbten biologischen Programm der Frischerhaltung ist unter anderem die Autophagie beteiligt. Sie sorgt dafür, dass die Zellbestandteile abgebaut und anschließend neu verwertet werden. Im Alter lässt diese Art Recycling nach oder kann gestört sein. Das könnte dann unter Umständen einer der Faktoren sein, die Demenz und weitere Alterserscheinungen begünstigen.

Und da kommt eine körpereigene Substanz ins Spiel: Spermidin. Es regt vermutlich die Autophagie an, doch seine Konzentration in Körperzellen sinkt im Alter. Eine Firma machte aus dieser Beobachtung ein Geschäftsmodell, indem sie als Nahrungsergänzungsmittel Spermidinelife® anbietet, einen spermidinreichen Weizenkeimextrakt.1 Auf den ersten Blick scheint das logisch: Da fehlt mir möglicherweise was, also werde ich es sicherheitshalber mal schlucken. – Doch Vorsicht: Dass dieser Umkehrschluss falsch und eventuell gefährlich ist, hat nicht erst die Hormontherapie für Frauen in der Menopause gezeigt. Dort wurde die altersgemäße Hormonabnahme künstlich ersetzt – und brachte unter anderem eine erhöhte Rate an Brustkrebs mit sich.

Spermidin produziert unser Körper in Zellen und mittels Darmbakterien selbst, und wir nehmen es mit der Nahrung auf. Viel davon steckt etwa in Blumenkohl, reifem Käse oder Sojabohnen. Wenn im Alter die Verfügbarkeit sinkt, kann das viele Gründe haben. Mit Spermidinelife® einen Mangel – der im Einzelfall ja nicht nachgewiesen ist – kompensieren zu wollen, ist Wunschdenken. Das allerdings befeuert der Anbieter Infectopharm mit Aussagen wie, „Spermidin wirkt sich positiv auf die Gesundheit unserer Neuronen aus und schützt uns so vor Demenz“. Die Firma zitiert dazu auf ihrer Webseite drei Veröffentlichungen. Das überzeugt aber nicht:2 Zwei davon beziehen sich auf dieselbe Mini-Studie mit gerade mal 30 Teilnehmenden. In der dritten Publikation wird nur die Planung einer Studie vorgestellt, Ergebnisse fehlen. Alle drei Veröffentlichungen stammen von derselben Forschungsgruppe, die Geld vom Anbieter angenommen hat. Was zudem angebliche Effekte auf Lebensdauer und Herz-Kreislauf-Gesundheit angeht, fehlen zuverlässige Daten. Ergebnisse von Reagenzglas- und Tierversuchen lassen sich nicht einfach auf den Menschen übertragen.

Zufallsprinzip
GPSP 2/2019, S. 24

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2020 / S.14