Schlankheitsmittel mit Chitosan: Gefährliche Wechselwirkung
Manche Produkte, mit denen Menschen versuchen abzunehmen, enthalten Chitosan. Diese Substanz wird hauptsächlich aus zermahlenen Krebsschalen gewonnen und soll im Magen-Darm-Bereich Fette aus der Nahrung binden, so dass sie nicht in den Blutkreislauf gelangen und zusätzliche Kalorien liefern. So weit die Theorie, die die Werbung für chitosanhaltigen Produkte wie
formoline L 112 seit Jahren verbreitet (siehe auch GPSP 5/2006, S. 9).
Die Wirkung dieser Mittel ist aber einerseits gering – Personen, die etwa ein halbes Jahr Chitosankapseln geschluckt hatten, verloren im Schnitt nur 1,7 Kilo und längerfristig gerademal ein halbes! – andererseits können Chitosanprodukte die Aufnahme von wichtigen Arzneimitteln verhindern. Das wird speziell für solche Wirkstoffe befürchtet, die an Fett gebunden (lipophil) über den Verdauungstrakt ins Blut gelangen. Kürzlich berichteten italienische Ärzte von zwei epilepsiekranken Frauen um die 30, die ein Medikament mit Valproinsäure benötigen und mit Chitosanprodukten abnehmen wollten. Sie erlitten unerwartet epileptische Anfälle und hatten bei der ärztlichen Kontrolluntersuchung überraschend wenig Valproinsäure im Blut.1
Auch dem Deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wurde ein solcher Verdacht bei einer 19-jährigen Frau gemeldet.2 Das Problem: Bei dieser Art Schlankheitsmittel handelt es sich um Medizinprodukte, die im Vergleich zu Arzneimitteln schlecht untersucht sind. Und Kontrollen bei der alltäglichen Anwendung gibt es praktisch nicht – die zuständigen Landesbehörden sind damit offenkundig überfordert (siehe auch Kasten S. 10). Was die möglichen Wechselwirkungen mit Medikamenten angeht, sehen wir vermutlich nur die Spitze des Eisbergs!
Stand: 1. April 2010 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2010 / S.08