Keine rosigen Zeiten für Rosiglitazon
Hersteller verschleiert Risiken
Eigentlich steht schon lange fest, dass das 1999 zugelassene Diabetesmedikament Rosiglitazon (Avandia®) das Risiko für Herzinfarkte erhöhen kann – das Gegenteil von dem, was die Behandlung von Zuckerkranken bewirken soll.1 Der Hersteller GSK hat dies lange verschleiert und versucht bis heute, kritische Berichte zu unterdrücken.
Als die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA vor mehr als zehn Jahren die Zulassung von Rosiglitazon zur Behandlung von Diabetes mellitus diskutierte, gab es bereits Bedenken: Die Patienten nahmen an Gewicht zu und ihre Cholesterinspiegel stiegen. Außerdem gab es bereits Hinweise, dass der Wirkstoff das Herz schädigen kann. Eine nah verwandte Substanz war von der FDA wegen einer erhöhten Rate von Herzinfarkten gar nicht erst zugelassen worden. Andere Wirkstoffe in der Gruppe der Glitazone erwiesen sich schon im Tierversuch als herzschädlich und wurden nicht weiter erprobt.2
Als Rosiglitazon zugelassen wurde, gaben sich Behörden damit zufrieden, dass das Mittel den Blutzuckerspiegel senkt und die Insulinempfindlichkeit erhöht, sodass weniger Insulin gebraucht wird. Ob es aber auch die gefürchteten Komplikationen wie Durchblutungsstörungen, Amputation, Erblindung und Herz-Kreislauferkrankungen verhindern kann, hatte der Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) nicht belegt. Das hielt die Firma nicht davon ab, ihr neues Präparat mit massiven Werbekampagnen schnell zum Umsatzrenner zu machen.
Doch nicht alle stimmten in die Lobgesänge ein. Der bekannte Diabetologe John Buse von der University of North Carolina äußerte bereits im Jahr der Zulassung auf Fachkongressen seine Bedenken wegen der Herz-Kreislauf-Risiken von Rosiglitazon. GSK beschwerte sich bei der Universitätsleitung und drohte Buse wegen des sinkenden Aktienkurses mit Schadensersatz. Buse unterschrieb daraufhin eine Erklärung, dass er sich nicht mehr öffentlich über Rosiglitazon äußern werde.
Auch den Forscher Steven E. Nissen versuchte die Firma 2007 einzuschüchtern. Nissen und seine Kollegin Kathy Wolski hatten alle zugänglichen Daten ausgewertet und waren zu dem Schluss gekommen, dass Rosiglitazon das Herzinfarktrisiko beträchtlich erhöht. GSK hatte von der geplanten Veröffentlichung Kenntnis erhalten und versuchte diese zu verhindern – jedoch ohne Erfolg.3 Obwohl die Firma in einer internen Auswertung zu dem Schluss gekommen war, dass die Bewertung der unabhängigen Wissenschaftler
mit eigenen Erkenntnissen übereinstimmte,4 startete GSK Gegenmaßnahmen. Eine von der Firma gesponserte noch laufende Studie wurde vorzeitig ausgewertet, um sie als günstige Zwischenbilanz zu publizieren. In der Publikation versuchte GSK sogar die Behauptung unterzubringen, dass die GSK-Studie die Ergebnisse von Nissen und Wolski entkräfte. Das ließen die Herausgeber der Zeitschrift aber dann doch nicht durchgehen.5
Erst kürzlich scheiterte ein erneuter Versuch von GSK, Daten zu unterdrücken und Zeitschriften zu zensieren, kläglich. Die Firma hatte vom European Heart Journal verlangt, einen Text von Steven E. Nissen über die Vertuschungsmethoden der Firma in Sachen Rosiglitazon nicht abzudrucken.
Die Krankenkassen in Deutschland werden Rosiglitazon in Kürze wahrscheinlich nicht mehr erstatten. Es ist allerdings höchste Zeit, dass das Mittel zum Schutz der Patienten ganz vom Markt verschwindet. Denn neben dem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen kann das Mittel auch Wassereinlagerungen (Ödeme), Sehverlust und Knochenbrüche verursachen. In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen, dass die Bundesregierung jetzt eine langjährige Forderung auch der unabhängigen Arzneimittelzeitschriften umsetzen will: Hersteller sollen per Gesetz verpflichtet werden, die Ergebnisse sämtlicher Studien zu veröffentlichen. Damit würde es für Firmen künftig schwerer werden, ungünstige Ergebnisse zurückzuhalten – wie das bei Rosiglitazon der Fall war.
Stand: 1. August 2010 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2010 / S.03