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© akinbostanci iStock

Inclisiran: Senkt Cholesterin, Nutzen ist aber unklar

Ob das Medikament vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützt, ist nicht belegt

Inclisiran senkt das LDL-Cholesterin. Ansonsten wissen wir aber zum Nutzen und den langfristigen Nebenwirkungen des Medikaments sehr wenig.

Ein erhöhter LDL-Cholesterinwert ist einer von mehreren Risikofaktoren für Arteriosklerose (Gefäßverkalkung), die zu Komplikationen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall führen kann. Werden Medikamente zugelassen, die das LDL-Cholesterin senken, wissen wir häufig nicht, ob sie auch tatsächlich vor einem Herzinfarkt schützen. Zu solchen Arzneimitteln gehört neben Bempedoinsäure (wir berichteten) auch Inclisiran, das seit Anfang 2021 in Deutschland verfügbar ist.

Niedriges Cholesterin per Spritze

Inclisiran ist ein Medikament mit einem neuen Wirkungsmechanismus: Es sorgt dafür, dass die Zellen der Leber vermehrt LDL-Cholesterin aufnehmen, dadurch sinkt dessen Konzentration im Blut. Inclisiran muss alle sechs Monate als Spritze verabreicht werden. Zugelassen ist das Medikament in Verbindung mit einer fettarmen Ernährung als Alternative zu Statinen, wenn diese nicht vertragen oder eingesetzt werden können. Oder zusätzlich zu einem Statin, wenn trotz höchstmöglicher verträglicher Dosis Zielwerte für LDL-Cholesterin nicht erreicht werden.
Ob es sinnvoll ist, bestimmte Zielwerte zu erreichen und falls ja, wie niedrig sie sein sollen, wird allerdings seit vielen Jahren kontrovers diskutiert. Ein Nutzen für besonders niedrige Werte ist nach wie vor nicht hinreichend belegt.

Schutz vor Herzinfarkt nicht belegt

Für die Zulassung wurde Inclisiran in drei Studien untersucht, die jeweils 18 Monate dauerten. An zwei dieser Studien nahmen gut 3.000 Patient:innen teil, die im Mittel rund 65 Jahre alt waren und entweder bereits eine bestehende Arteriosklerose oder ein hohes Risiko für einen Herzinfarkt hatten. Die dritte Studie bestand aus knapp 500 Teilnehmenden mit einem genetisch bedingt erhöhten LDL-Cholesterinspiegel. Sie erhielten nach dem Zufallsprinzip entweder Inclisiran oder ein Scheinmedikament, beides jeweils zusätzlich zu Statinen, und zum Teil außerdem Ezetimib, einen weiteren Cholesterinsenker.
Zwar senkte Inclisiran in allen Studien deutlich den LDL-Spiegel. Für aussagekräftige Daten zu Herzinfarkten und ähnlichen Herz-Kreislauf-Komplikationen waren die Untersuchungen jedoch nicht ausgelegt. Eine andere Studie, die diese Frage untersucht, läuft noch bis 2026.

Langfristige Nebenwirkungen unklar

Nebenwirkungen in den Studien waren vor allem Schmerzen und Rötungen an der Einstichstelle, die bei rund 8 von 100 Teilnehmenden in der Inclisiran-Gruppe und bei etwa 2 von 100 in der Placebo-Gruppe auftraten. Andere gesundheitliche Proble­me waren in beiden Gruppen ähnlich häufig. Mit Inclisiran wurden etwas öfter erhöhte Leberwerte beobachtet. Ob dies bedeutsam ist, bleibt bislang noch unklar. Welche Nebenwirkungen bei längerfristiger Behandlung mit Inclisiran auftreten, ist bislang nicht bekannt.

Was bringt Inclisiran?

DER ARZNEIMITTELBRIEF hält auf der Basis dieser Daten eine Nutzen-Risiko-Bewertung bislang für unmöglich.1 Das arznei-telegramm® rät derzeit von dem teuren Medikament ab.2 In der frühen Nutzenbewertung hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Inclisiran aufgrund der fehlenden Daten keinen Zusatznutzen im Vergleich zu bisherigen Medikamenten zuerkannt.3

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2022 / S.17