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Impfen gegen Gürtelrose?

Für wen der neue Impfstoff in Frage kommt

Wer die Windpocken durchgemacht hat, kann im fortgeschrittenen Alter Gürtelrose (Herpes zoster) bekommen. Und die kann ziemlich unangenehm sein. Trotzdem wurde eine Impfung bislang nicht empfohlen. Jetzt gibt es einen besser geeigneten Impfstoff. Für wen kommt er in Frage?

Über 300.000 Menschen bekommen pro Jahr in Deutschland eine Gürtelrose.1 Der Ausschlag kann stark jucken und schmerzen. Etwa jeder zehnte  Betroffene hat aber auch nach dem Abheilen des Ausschlags noch Wochen bis Monate heftige Nervenschmerzen (postherpetische oder Post-Zoster-Neuralgie).

Herpes zoster kann unmittelbar beim Ausbruch mit virushemmenden Medikamenten behandelt werden. Sie können das Abheilen des Ausschlags manchmal verkürzen, die Entwicklung von Nervenschmerzen verringern sie nicht.2

Bei starken akuten Schmerzen ist eine konsequente Schmerztherapie sinnvoll, denn das verringert das Risiko, dass sie sich verfestigen.

Impfschutz

Eine Impfung kann die Wahrscheinlichkeit, an Herpes zoster zu erkranken verringern – und damit auch die Nervenschmerzen als mögliche Spätfolge. Bislang wurde sie jedoch nicht allgemein empfohlen,3 weil der seit 2009 zugelassene4 Lebend­impfstoff Zostavax® nur mäßig wirksam war und unangenehme Nebenwirkungen hatte.5 Für Personen mit beeinträchtigtem Immunsystem ist er ungeeignet. Das sind aber gerade diejenigen, die am ehesten Gefahr laufen, eine Gürtelrose zu bekommen und somit von einer Impfung am meisten profitieren würden.

Seit 2018 gibt es mit Shing­rix® einen Impfstoff, der länger und zuverlässiger vor Gürtelrose und den späteren Nervenschmerzen schützt. Dafür sind zwei Impfungen im Abstand von zwei bis sechs Monaten erforderlich. Der neue Impfstoff wird jetzt von der Ständigen Impfkommission für über 60-Jährige empfohlen. Da es sich um einen Tot­impfstoff handelt, ist er prinzipiell auch für immungeschwächte Personen geeignet. Für diese Personen gilt die Empfehlung bereits ab 50 Jahren, da sie ein höheres Erkrankungsrisiko haben. Für die Zuverlässigkeit der Schutzwirkung bei ihnen fehlen allerdings noch Daten.6 Die Kosten werden von den Krankenkassen übernommen.7

Wirksamkeit gegen Gürtelrose

Shingrix® wurde in zwei großen Studien mit fast 15.000 Teilnehmenden überprüft.8 Dabei verhinderte die Impfung je nach Alter zwischen 97% (50 bis 69 Jahre) und 91% (70 Jahre und älter) der Herpes zoster-Erkran­kungen.5 Der ältere Lebend­impfstoff Zostavax® war dagegen vor allem bei Älteren wenig wirk­sam.9

Dies klingt zunächst nach einer beeindruckenden Wirksamkeit. Es muss allerdings bedacht werden, dass die Gürtelrose insgesamt selten ist.

Betrachtet man die absoluten Zahlen, werden durch die Impfung von 10.000 Personen mit Shingrix® etwa 85 Erkrankungen an Gürtelrose pro Jahr verhindert.1

Weniger Spätfolgen

Bei den meisten Patienten klingen die akuten Schmerzen mit dem Abheilen des Ausschlags ab. Daher kommt es vor allem darauf an, die länger andauernden Nervenschmerzen zu verhindern. Auch hier bietet Shingrix® guten Schutz. Von 10.000 geimpften Personen bekam pro Jahr nach der Gürtelrose nur eine Nervenschmerzen, mit Placebo waren es zwölf. Bei Menschen ab 80 Jahren war der Schutz etwas schwächer: pro 10.000 Personen und Jahr waren mit Impfung drei und ohne die Impfung elf von Nervenschmerzen betroffen.10

Nebenwirkungen

Drei von vier Geimpften bekamen Schmerzen, eine Rötung oder Schwellung an der Impfstelle. Jede dritte Person fühlte sich abgeschlagen oder hatte Muskelschmerzen, jede vierte Kopfschmerzen. Neun von zehn Geimpften bemerkten eher milde Nebenwirkungen. Allerdings fühlte sich jede fünfte Person in den ersten Tagen nach der Impfung in ihren alltäglichen Aktivitäten eingeschränkt, bei den über 70-Jährigen nur jede Zehnte.11

Dauer des Schutzes

Je länger der Impfschutz anhält, desto eher sind die mit der Impfung verbundenen Nebenwirkungen und Kosten zu rechtfertigen. Bislang liegen nur Erfahrungen über zirka vier Jahre vor. Dabei schneidet der Tot­impfstoff Shingrix® deutlich besser ab als der Lebendimpfstoff, dessen ohnehin geringere Wirksamkeit innerhalb von wenigen Jahren stark abfällt.2

Fazit

Die Entscheidung für oder gegen die Impfung ist nicht ganz leicht. Der für Gürtelrose typische Hautausschlag wird individuell sehr unterschiedlich empfunden. Er kann allerdings, besonders im Gesichtsbereich, sehr schmerzhaft und bei Befall des Auges gefährlich sein. Eine relevante Belastung sind in jedem Fall die Nervenschmerzen, die auch nach dem Abheilen der Bläschen auftreten und die quälend sein können. Sie entstehen allerdings nur bei jeder zehnten Person nach einer Gürtelrose, bei Älteren etwas häufiger. Dagegenzuhalten sind die Nebenwirkungen von Shingrix®, die einen gewissen Teil der durch die Impfung verhinderten Krankheitssymptome wieder aufwiegen. Somit bleibt es vorerst eine persönliche Entscheidung. Allerdings gibt es derzeit Lieferengpässe, die erst Ende des Jahres beseitigt sein sollen.12

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2019 / S.04