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Verhaltensauffälligkeiten unter Oseltamivir (Tamiflu®)

Grippemittel gefährdet Kinder und Jugendliche

In Japan darf Oseltamivir (Tamiflu®), das zur Prophylaxe und Therapie der Virusgrippe zugelassen ist, Kindern und Jugendlichen nur noch in Ausnahmefällen verordnet werden. Der Grund sind alarmierende Berichte über auffällige Verhaltensweisen Heranwachsender, die Oseltamivir eingenommen hatten.

Mindestens 16 Kinder und Jugendliche sind in Verbindung mit der Einnahme von Oseltamivir zu Tode gekommen. Auffällig häufig kam es vor, dass sie von Gebäuden sprangen. Halluzinationen und Verwirrtheit sind weitere Nebenwirkungen, die offenbar besonders Kinder und Jugendliche betreffen.1 Auch das ähnlich wirkende Zanamivir (Relenza®) sowie das ältere antivirale Mittel Amantadin stehen inzwischen unter dem gleichen Verdacht: Der japanischen Behörde gingen 16 Berichte zu ungewöhnlichem Verhalten unter diesen Mitteln zu.2

Dass solche Berichte überwiegend aus Japan kommen, verwundert nicht, da dort fast 80% der Weltproduktion von Oseltamivir verbraucht wird. Eine vom japanischen Gesundheitsministerium eingesetzte Kommission soll keinen Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Einnahme von Oseltamivir und den Verhaltensauffälligkeiten gefunden haben. Allerdings hat der Vorsitzende dieser Kommission inzwischen einräumen müssen, dass er in den vergangenen Jahren neun Millionen Yen (58.000 Euro) vom japanischen Oseltamivir-Importeur erhalten hat. Wegen der sich häufenden Vorfälle und des öffentlichen Drucks durch Medienberichte wurden schließlich – trotz des Freibriefes der genannten Kommission – Anwendungsbeschränkungen in Japan angeordnet.

Verbraucher mangelhaft informiert

In den USA muss bereits seit 2006 in der Tamiflu®-Produktinformation auf Selbstgefährdung und Verwirrtheit hingewiesen werden. Erste Anzeichen können bereits nach Einnahme von ein oder zwei Tabletten einsetzen. Die unerwünschten Wirkungen, die keinesfalls typische Begleiterscheinungen einer Virusgrippe sind, bilden sich rasch und vollständig zurück, sobald das Medikament abgesetzt wird.

Die Europäische Zulassungsbehörde EMEA hat im März 2007 einen Hinweis für den Beipackzettel von Tamiflu® angeordnet: „Krampfanfälle, Bewusstseinstrübung, Verhaltensauffälligkeiten, Halluzinationen und Delirium, die in seltenen Fällen zu Verletzungen und Unfällen führten, wurden unter der Einnahme von Tamiflu® beschrieben. Die Patienten, insbesondere Kinder und Jugendliche, sollten engmaschig überwacht werden. Bei ersten Anzeichen von ungewöhnlichem Verhalten sollte der Arzt aufgesucht werden.“3 Dieser Text verschleiert wesentliche Sachverhalte: So berücksichtigt er mit keinem Wort, dass die Verhaltensauffälligkeiten bereits mehrfach tödlich endeten.

Überschätzter Nutzen

Oseltamivir ist ein teures und weitgehend überschätztes Arzneimittel. Allein in Deutschland wurden für die Einlagerung von Tamiflu® und dem ähnlich wirkenden Zanamivir (Relenza®) etwa 200 Millionen Euro aufgewendet, um gegen eine angeblich drohende Epidemie der Vogelvirusgrippe gewappnet zu sein. Das ist eine maßlose Verschwendung von Steuergeldern, denn ein Nutzen dieser Präparate zur Behandlung und Vorbeugung der Vogelvirusgrippe beim Menschen ist nicht belegt. Zum einen fehlen glücklicherweise für entsprechende systematische Tests bislang genügend an Vogelvirusgrippe Erkrankte, denn Vogelgrippe ist nach wie vor hauptsächlich ein Problem bei Wild- und Nutzvögeln. Zum anderen wirkt Oseltamivir selbst bei „normaler“ Virusgrippe allenfalls mäßig. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen kann es typische Grippebeschwerden wie Fieber und Gliederschmerzen lediglich um einen bis eineinhalb Tage verkürzen. Bislang ist aber weder für Kinder noch für die so genannten Risikopersonen anhand kon­trollierter Studien belegt, dass die Wahrscheinlichkeit verringert wird, an der Virusgruppe zu sterben. Zu den Risikopersonen gehören Menschen mit chronischen Erkrankungen, beispielsweise des Herzens oder der Atemwege.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2007 / S.12