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Nutzlos, aber trendy

Angespannte Stimmung in der Marketing-Abteilung.1 Ein Junior-Texter verzweifelt an dem neuen Produkt: „Es wissen doch alle, dass Magnesium bei nächtlichen Wadenkrämpfen nichts bringt. Was machen wir jetzt?“ „Streng dich mal ein bisschen an: Wir packen einfach noch ein paar andere Sachen dazu und erzählen eine schöne Geschichte. Und schreib bloß nichts von nächtlichen Krämpfen, das will kein Mensch so genau wissen.“ „Aha. Also besser: ‚Ein unangenehmes Gefühl in den Muskeln mitten in der Nacht‘.“ „Ich sehe, wir verstehen uns. Weiter so!“ In den Tabletten landeten schließlich noch Vitamin E, Vitamin B6 und Hopfenblüten-Extrakt und im Werbetext so schöne blumige Versprechen wie „entspannte Zellen“ (!), „Zellschutz“ und „Unterstützung bei der Regeneration“.

„Das ist jetzt aber immer noch ziemlich lahm!“ „Okay Chef, wie wäre es mit was Trendigem: Melatonin?“ „Hmm. Geht schon in die richtige Richtung. Aber da machen die Aufsichtsbehörden immer Stress – wir müssen auf jeden Fall verhindern, dass wir als Arzneimittel eingestuft werden und auch noch teure Studien durchführen müssen.“ „Und wenn wir einfach ganz wenig reinmachen, so nur ein Zehntel von der Dosis, die die Aufsichtsfuzzis als wirksam zum Schlafen ansehen?“ „Genial! Und schreib drauf, dass wir damit voll im Trend liegen.“

Bei manchen Pressemitteilungen, die in der GPSP-Mailbox landen, startet bei uns das Kopfkino: Wie gut, dass sich jemand um die Zellen kümmert, die ohne Vitamine und Mineralstoffe nachts ungeschützt herumliegen würden. Dazu noch ein Hauch von Melatonin – kurzum: das Beste aus allen unnützen Mitteln. Da ziehen wir uns doch lieber die Bettdecke über den Kopf. Vielleicht kommen dann die „entspannten Nerven und die innere Ruhe“, die wir beim Lesen der Pressemitteilung verloren haben?

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2021 / S.18