Bange machen gilt nicht
Eisenbedarf in der Schwangerschaft
Werdende Mütter möchten gerne alles richtig machen. Da hakt sich die Werbung gerne „hilfreich“ ein und dehnt die Grenzen des Erlaubten ziemlich weit. Wie das geht, illustriert das Beispiel eines eisenhaltigen Mittels.
Eisenmangel in der Schwangerschaft kann zu Müdigkeit und Erschöpfung führen. Fehlt zu viel Eisen, kann sich aber auch eine Anämie (Blutarmut) entwickeln. Bei einer schweren Anämie sind die Betroffenen anfälliger für Infekte, außerdem steigt das Risiko, dass das Baby bei der Geburt weniger wiegt. Bei Schwangeren wird deshalb in der frauenärztlichen Praxis regelmäßig der Hämoglobin-Wert kontrolliert und bei Eisenmangel entsprechend ein Eisenpräparat verordnet.1
Bunte Mixtur
An dieser Stelle betritt nun das Mittel mit dem wohlklingenden Namen „Kräuterblut® Floradix® mit Eisen“ die Bühne. Es enthält nicht nur – relativ niedrig dosiert – Eisen, sondern auch noch Vitamin C und jede Menge pflanzlicher Extrakte. Der Hersteller bewirbt das Elixier in einer medizinischen Fachzeitschrift für Frauenärzte als „wirksame Eisensubstitution bei der Langzeittherapie von Schwangeren“. Substitution bedeutet konkret, dass das Mittel Eisenmangel beheben kann. Und es soll sogar besser wirken als Eisen in der sonst üblichen Kapselform.
Diese Aussage wird mit dem Hinweis auf eine Studie angeblich untermauert. Die hat sich eine unserer Mutterzeitschriften, das arznei-telegramm®, genauer angesehen.2 Kurz gesagt: Besonders aussagekräftig ist sie nicht – denn es nahmen lediglich 26 Schwangere mit Eisenmangel und niedrigem Hämoglobinwert teil. Mit dem Eisensaft stieg der Hämoglobinwert zwar scheinbar schneller an als mit einem herkömmlichen Eisenpräparat. Aber bei einer so geringen Anzahl an Teilnehmerinnen ist das kein verlässlicher Wirksamkeitsbeleg.
Was der Hersteller in der Anzeige nicht verrät: Das Präparat wird zwar als Mittel zur Behandlung des Eisenmangels in der Schwangerschaft beworben, zugelassen ist es aber nur zur vorbeugenden Einnahme. Das ist arzneimittelrechtlich ein erheblicher Unterschied. Denn bei einem stärkeren Eisenmangel ist Floradix® unterdosiert. Darum hat das arznei-telegramm® Beschwerde gegen die Werbung bei der zuständigen Behörde eingelegt.
Eisen vorbeugend nehmen?
Übrigens müssen gar nicht alle Schwangeren vorbeugend Eisen einnehmen: Das belegen 60 Studien mit insgesamt mehr als 40.000 werdenden Müttern mit normalen Eisenwerten: Ihnen brachte eine vorsorgliche Einnahme von 30 mg Eisen täglich keinen wesentlichen gesundheitlichen Vorteil.3 Zwar litten sie im weiteren Verlauf der Schwangerschaft seltener an einer durch Eisenmangel verursachten Anämie. Die Schwangeren waren aber nicht weniger infektionsanfällig, und es kamen auch nicht weniger Kinder zu früh oder mit sehr niedrigem Geburtsgewicht auf die Welt.3
Was Schwangere tun können
Wenn Frauenarzt oder Frauenärztin keine zu niedrigen Hämoglobinwerte feststellen, brauchen Schwangere also keine zusätzlichen Mittel. Damit können sie auch unerwünschte Effekte wie Magen-Darm-Beschwerden, Verstopfung oder Durchfall, Übelkeit und Erbrechen vermeiden, die Eisenpräparate oft mit sich bringen.
Eisen lässt sich schließlich auch ausreichend über die Nahrung aufnehmen. Es steckt besonders reichlich in Fleisch. Wer auf tierische Nahrungsmittel ganz verzichten will: Es gibt auch einige gute pflanzliche Eisenlieferanten, etwa Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte und Tofu. Wichtig zu wissen: Durch Kombination mit Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln wie Orangensaft oder rotem Paprika kann der Körper Eisen aus pflanzlichen Nahrungsmitteln besser verwerten.3
Eisenmangel
GPSP 5/2016, S. 25
Stand: 30. August 2019 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2019 / S.10