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© lappes/ iStockphoto.com

Aus der Traum?

Wie sich die Globuli-Lobby wehrt

Viele Jahre boomte das Geschäft mit homöopathischen Mitteln. Hersteller und Anhänger der Präparate nutzen dies immer wieder gern als Werbebotschaft, offenbar auch um von der fehlenden Wissenschaftlichkeit und unerwiesenen Wirkung abzulenken.1

Zuletzt sind für die Branche jedoch schwierigere Zeiten angebrochen: Nach Zahlen des Marktforschungsunternehmens IQVIA sank der Absatz homöopathischer Mittel in den vergangenen zwei Jahren, auch verschreiben Ärzte sie seltener. Um gegenzusteuern, greifen Hersteller und Homöopathen-Verbände zu fragwürdigen Methoden, die bis zur Diffamierung von Journalisten und Kritikern reichen.

Der größte deutsche Hersteller, die zum Schwabe-Konzern gehörende Deutsche Homöopathie Union (DHU), veröffentlichte bislang seine Umsatzzahlen von bis zu 100 Millionen Euro auf ihrer Internetseite – zukünftig will die Firma die Zahlen jedoch nicht mehr transparent machen. „Auch im abgelaufenen Geschäftsjahr setzte sich die negative Berichterstattung zur Homöopathie fort, was sich sehr deutlich im Bereich der Einzelmittel bemerkbar macht und zu deutlichen Absatzrückgängen geführt hat“, schreibt Schwabe im Geschäftsbericht für 2017. Schon im Vorjahr hieß es, angesichts „deutlicher Absatzrückgänge“ bei diesen Produkten bestünde „dringender Bedarf, öffentlichkeitswirksam gegenzusteuern“.

Die Firma gründete ein Strategieteam und startete eine „Aufklärungskampagne“. Der Slogan: „Homöopathie. Natürlich. Meine Entscheidung!“

Beim Hersteller Wala sieht es ähnlich aus: Der Umsatz im Bereich der hauptsächlich von Ärzten eingesetzten Arzneimittel sei „deutlich rückläufig“, heißt es, was mit der sinkenden Zahl anthroposophischer Ärzte und der „allgemeinen Homöopathie-Kritik“ zusammenhänge.

Aggressive Kampagnen

Vor einigen Jahren machten Homöopathie-Firmen wie die DHU sowie der Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte Schlagzeilen: Sie hatten nämlich einen Autor gesponsert, der in einem Blog herabwürdigende Artikel über Journalisten veröffentlichte, die wissenschaftlich fundiert über die Homöopathie schrieben. Unter der Überschrift „Schmutzige Methoden der sanften Medizin“, berichtete die Süddeutsche Zeitung über diese Vorgänge. Gegenüber der Tageszeitung stritten die DHU und andere Homöopathieanbieter eine Diffamierung ab. Und obwohl in dem Blog stand, ein angesehener Journalist glänze mit „Halbwissen“, erklärten die Hersteller, sie wollten einen „konstruktiven Dialog“ unterstützen.

In Österreich wird gleichfalls mit fragwürdigen Taktiken vorgegangen: Nach einer Recherche der Zeitung Der Standard hat eine PR-Firma in Online-Foren gefälschte Postings zur Homöo­pathie veröffentlicht. Wie in Deutschland ist die Homöopathie in Österreich unter Druck: Kürzlich hat die Medizinische Universität Wien sie nach Protesten von Studierenden als Wahlpflichtfach abgeschafft.

Außerdem hat die Wiener Patientenbeauftragte Dr. Sigrid Pilz sich deutlich kritisch geäußert: „Die Ärzte, die homöopathische Therapien anbieten, müssen ihre Patienten darauf aufmerksam machen, dass es keine wissenschaftliche Evidenz für Homöopathie gibt und damit auch keine Wirksamkeit erwiesen ist“, sagte Frau Pilz gegenüber dem Standard, und brachte ein Verkaufsverbot für unwirksame Präparate ins Gespräch.

Die Reaktionen waren deutlich: „Wessen Interessen vertreten Sie eigentlich, Frau Dr. phil. Pilz?“, steht über einer Pressemitteilung der Organisation „Homöopathie hilft!“, die sich selbst „Patienten­verein“ nennt. Dabei muss sich der Verein genau diese Frage selbst gefallen lassen: Laut Impressum des Vereins dient die Chefin eines PR-Büros als Ansprechpartnerin. Und dieselbe Person ist auch für den zum deutschen Schwabe-Konzern gehörenden Homöopathie-Hersteller „Dr. Peithner“ tätig. Auf der Homepage des angeblichen „Patientenvereins“ prangen Werbebanner für die Firma. Und auf Facebook wirbt der Verein beispielsweise mit der Aussage, Homöopathie helfe bei Prüfungsstress – und verlinkt zu einer Homöopathika-Datenbank auf seiner Homepage, auf der ein Mittel des Pharmaherstellers Dr. Peithner auftaucht. Als Sponsor ist laut Vereins-Homepage sogar die Österreichische Apothekerkammer mit im Boot.

Besonders aggressiv geht derzeit die Firma Hevert mit Unterlassungsforderungen gegen Personen vor, die die Homöo­pathie in Frage stellen. Zum Beispiel wird die Ärztin Natalie Grams (Interview auf S. 19) aufgefordert, nicht mehr in der Öffentlichkeit zu behaupten, homöopathische Arzneimittel wirkten „nicht über den Placebo-Effekt hinaus“. Sie wird mit einer Vertragsstrafe von 5.100 Euro für den Fall der Zuwiderhandlung bedroht. Grams lehnt es ab, die Erklärung zu unterzeichnen.2

Pharmaverbände für Homöopathie

In Österreich wie in Deutschland setzen sich führende Pharmaverbände als Lobbyisten für die Homöopathie ein. In Wien ist es der österreichische Pharmaverband Pharmig, in dem neben Bayer, Boehringer Ingelheim oder Pfizer auch Homöopathie-Firmen wie Dr. Peithner vertreten sind. Nachdem die Patientenbeauftragten Pilz ihre Forderungen aufgestellt hatte, verschickte der Verband eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Aufklärung und Information wichtig“.

Stimmt, aber gehört dazu nicht auch, dass Ärzte und Apotheker darauf hinweisen sollten, dass Homöopathika lediglich eine Placebowirkung haben? „Die Wirkung von Homöopathie ist nach wie vor Gegenstand von Fachdiskussionen“, hieß es stattdessen auf Nachfrage – für weitere Fragen verwies der Pharmaverband an den Homöopathie-Hersteller Dr. Peithner.

In Deutschland werben der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) regelmäßig für die Homöopathie. Der BAH erklärte etwa, die homöopathische „Potenzierung“ sei als „Kraftentfaltung“ zu verstehen, die die Homöopathie von allen anderen Heilmethoden unterscheide. Der Verband betreibt ein eigenes Internetportal, bewirbt dort die vermeintlich „natürliche“ Homöopathie – und macht wie auch der BPI – Lobbyarbeit auf politischer Ebene.

Gegenwind

In vielen Ländern ist die Homöo­pathie unter Druck, so auch in Spanien: Dort will die Regierung Patienten darüber aufklären, dass es sich um eine Pseudomedizin handelt, und Homöopathie von universitären Lehrplänen streichen. Da dürften die Lobbyaktivitäten hierzulande noch intensiver werden. Die Hersteller loten jedoch bereits weitere profitable Möglichkeiten aus: „Von herausragender Bedeutung für unser Exportgeschäft ist insbesondere der chinesische Markt“, heißt es im Jahresbericht von Schwabe.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2019 / S.22