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Melatonin-haltige Nachtmilchkristalle

Anbieter:

Milchkristalle GmbH in München. Eine Packung mit 16 Portionen zu 9 g kosten 24,90 Euro (plus 3,40 Euro Versandkosten). Der Designerkarton ist unnötig groß und könnte auch die doppelte Menge Portionsbeutel aufnehmen (Mogelpackung).

Was ist drin?

Milchpulver, das im Kaltverfahren aus nachts gemolkener „100% reiner und fettfreier Milch“ gewonnen wird und „reich an natürlichem Melatonin“ sein soll.

Was wird versprochen?

Die „einzelverpackten Nachtportionen … mit Milchkristallen, die etwa einhundert Mal mehr Melatonin enthalten als herkömmliche Milch“ und bei Schlafstörungen helfen sollen. „Die Eigenproduktion von Melatonin im menschlichen Körper nimmt ab einem Alter von 25 Jahren deutlich ab. Zivilisationserscheinungen wie Bewegungsmangel, immer weniger Arbeit im Freien, Stress, schlechte Ernährung, zeitzonenübergreifende Reisetätigkeiten, Nachtarbeit und Elektrosmog sind weitere Faktoren, die den Melatonin-Mangel verursachen. Folgen: Die Schlafqualität leidet, der Organismus wird für Krankheiten zunehmend anfälliger und die Alterung nimmt ihren Lauf.“1 Nachtmilchkristalle sollen „den Melatoninspiegel wieder anheben“ und „zu einem erholsameren Schlaf“ führen.

Was ist belegt?

Der Anbieter legt die Kurzbeschreibung einer Studie mit 40 Personen vor, die entweder die so genannten Nachtmilchkristalle oder schlichtes Milchpulver verwendeten.2 Durchgeführt wurde die kleine Studie von der Innovationsberatung Weihenstephan. Nach Auswertung von Fragebögen sollen die Nachtmilchkristalle innerhalb von zehn Tagen bei mehr Personen zu einem erholsamen Schlaf geführt haben als gewöhnliches Milchpulver. Für die übrigen Behauptungen werden überhaupt keine Belege angeführt.

Was sagt GPSP?

Die nur rudimentär veröffentlichte Ministudie kann allenfalls als orientierende Pilotstudie angesehen werden. Einen wissenschaftlichen Beleg für einen Nutzen können wir dem Text nicht entnehmen. Ohnehin sind die Effekte von eingenommenem Melatonin unzureichend geklärt. Die Menge des Hormons in dem Produkt ist verschwindend gering. Das als verschreibungspflichtiges Schlafmittel angebotene Arzneimittel Circadin® enthält pro Tablette 2 mg Melatonin. Um die gleiche Menge in Form von Nachtmilchkristallen einzunehmen, müsste man zwei Millionen Portionen schlucken. Selbst die Melatonin- Schlaftabletten wirken allerdings unzureichend (GPSP 2/2008, Seite 15). GPSP bewertet die als Lebensmittel angebotenen Nachtmilchkristalle als teures Plazebo. Wie wäre es mit einem Glas normaler Milch als preiswertes Plazebo? Übrigens dürfen die „Nachtmilchkühe“ nicht einmal die Sonne sehen, sondern werden mit Kunstlicht bestrahlt, „das dem Farbenspektrum der Sonne nachempfunden wird“.1

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2010 / S.09