Zum Inhalt springen
©Schlierner/ fotolia

Gepanschte Produkte ziehen um die Welt

Der Betrug mit gepanschten Nahrungsergänzungsmitteln, also mit harmlos erscheinenden, oft als rein pflanzlich bezeichneten Produkten, die in Wirklichkeit starke und oft riskante chemische Stoffe enthalten, kennt keine Ländergrenzen. Und eindämmen lässt er sich auch nicht, wie ein Beispiel zeigt.

Gepanschte Produkte werden meist nur zufällig als solche entlarvt, etwa bei stichprobenhaften Untersuchungen oder wenn zum Beispiel die Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels jemandem schadet und eine chemische Untersuchung des Produktes nach sich zieht. Das Fatale: Selbst wenn ein Nahrungsergänzungsmittel als gepanscht erkannt worden ist und davor gewarnt wird, kommt der Anbieter in der Regel ungeschoren davon. Er kann seine gefährliche Panscherei meist weiterhin ungehindert über das Internet und über Landesgrenzen hinweg anbieten.

Am Beispiel von La Jiao Shou Shen zeichnen wir im Folgenden die Spuren eines Nahrungsergänzungsmittels in der Welt nach: Zeitgleich mit dem Erscheinen von GPSP 5/2010 hatten wir das Produkt, das zum Abnehmen angeboten wird, in unsere Internetdatenbank „Gepanschtes“ aufgenommen. In La Jiao Shou Shen war damals der Appetithemmer Sibutramin entdeckt worden, der wegen Herz-Kreislauf-Schädlichkeit in Europa aus dem Handel gezogen war. Unsere Warnung ging damals auf eine Mitteilung des Regierungspräsidiums Darmstadt von Juli 2010zurück.

Im November 2012 folgte eine Warnung der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Die damalige Mitteilung steht heute nicht mehr im Internet. Aktuell verlinkt die Verbraucherzentrale als „Tipp“ und „gute Übersicht über gepanschte Nahrungsergänzungsmittel“ auf die Datenbank Gepanschtes von GPSP2.

Im September 2013, ein Jahr nach der Verbraucherzentrale, machte das Regierungspräsidium Darmstadt3 erneut auf La Jiao Shou Shen aufmerksam, diesmal in einer Sammelwarnung zu verschiedenen gepanschten Produkten.

Im Juni 2014 veröffentlichte die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA4 aufgrund eigener Untersuchungen eine Warnung. Im September 2014 folgte die kanadische Behörde Health Canada5.

Weltweit hat es vermutlich weitere Warnungen gegeben. Gepanschte Produkte verschwinden also trotz wiederholter, auch internationaler Warnungen nicht aus dem Handel und gefährden weiterhin Menschen. Umso wichtiger ist es also, erstens auf obskure Angebote aus dem Internet zu verzichten, zweitens unsere GPSP-Internetdatenbank „Gepanschtes“ kostenfrei zu nutzen, die jedoch nur die Spitze des Eisbergs abbilden kann, und drittens Nahrungsergänzungsmittel allenfalls bei zugelassenen Online-Apotheken zu bestellen (vgl. GPSP 5/2009, S. 9).

Mit dieser Ausgabe haben wir erneut unsere frei zugängliche Internetdatenbank „Gepanschtes“ aktualisiert: Weitere 22 bedenkliche Produkte konnten wir aufspüren. Unter www.gutepillen-schlechtepillen.de (→ Gepanschtes) nennen wir inzwischen weit mehr als 1.300 illegale Nahrungsergänzungsmittel.

Neu gefundene gepanschte Produkte

3 Hard Knights, Black Ant Strong, Dick’s Hard Up, Full Throttle On Demand, Germany Niubian*, GoldReallus, Gold Vigra, Vigor Quick Fix, Liu Bian Li, My Man His Enhancer, NatuRECT, P-Boost, Play Hard for Men**, REDDES (oder REDDIES), Top Man 3, Vigour 800

Bei diesen angeblich rein pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln, die eine Erektion fördern sollen, stießen amtliche Prüfer auf die verschreibungspflichtigen Wirkstoffe Sildenafil (Viagra® u.a.) und/oder Tadalafil (Cialis®) bzw. einer chemischen Variante von Sildenafil, deren Wirkungen niemals systematisch bei Menschen untersucht worden sind. Belegt ist, dass solche nicht deklarierten – also verheimlichten – chemischen Erektionsförderer lebensbedrohliche Folgen haben können, beispielsweise wenn Herzkranke gleichzeitig Nitropräparate wie Isosorbiddinitrat (ISDN) oder ähnliche Arzneimittel gegen Angina pectoris einnehmen (GPSP 2/2013, S. 4). In Kombination mit einem (gepanschten) Erektionsförderer kann der Blutdruck lebensbedrohlich abfallen.

In dem mit einem Sterchen (*) markierten Produkt wurde zusätzlich zu Sildenafil das verschreibungspflichtige Schlafmittel Zopiclon entdeckt. Halluzinationen, Müdigkeit und Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens sind einige der möglichen Folgen. Wegen Gefahr der Abhängigkeit darf Zopiclon zudem nur wenige Tage lang hintereinander eingenommen werden.

In dem mit zwei Sternchen (**) gekennzeichneten Produkt ist bei einer Kontrollanalyse neben einer Variante des Erektionsförderers Sildenafil der verschreibungspflichtige Wirkstoff Yohimbin entdeckt worden, der früher häufig als Arzneimittel zur Behandlung von Impotenz verwendet wurde. Auch dieser Bestandteil stand nicht auf der Verpackung.

Best Line Suplemento Alimenticio Kapseln, B-Perfect*, Lipolysis II, Mezo, Slim Max*

In diesen angeblich natürlichen Produkten zum Abnehmen wurde der appetithemmende Wirkstoff Sibutramin (Reductil®) oder eine chemische Variante von Sibutramin entdeckt, der seit 2010 in Europa wegen Herz-Kreislauf-Schädlichkeit nicht mehr verkauft werden darf.

In den mit einem Sternchen (*) gekennzeichneten Produkten fanden Analytiker Sibutramin und/oder das Abführmittel Phenolphthalein, das in Deutschland schon vor Jahren aus dem Handel gezogen wurde, weil es möglicherweise Krebs auslöst.

LX1

In diesem als Nahrungsergänzungsmittel angebotenen Produkt fand sich bei Kontrollen der stimulierende Wirkstoff Dimethylamylamin (DMAA). Gegen diese Substanz bestehen erhebliche Sicherheitsbedenken. Sie kann den Blutdruck erhöhen und potenziell das Herz-Kreislauf-System schädigen. Bereits im Jahr 2012 wurden mehr als 40 Berichte zu schwerwiegenden unerwünschten Wirkungen in Verbindung mit DMAA erfasst, darunter mindestens zwei tödliche. DMAA steigert den Blutdruck und das Risiko tödlicher Herzinfarkte und Hirnblutungen. Das putschende Mittel gilt weltweit als Dopingsubstanz und ist bei Wettkämpfen strikt verboten. Wegen der schweren unerwünschten Wirkungen ist DMAA in Europa seit 2012 überhaupt nicht mehr in Nahrungsergänzungsmitteln erlaubt, unabhängig davon, ob der Stoff deklariert ist oder nicht (s. GPSP 2014/2, Seite 27). In LX1 wird er nicht auf der Verpackung angegeben.

Jin Long Snakes Bones Rheumtic Capsules

In diesem Produkt, das gegen Rheumatismus und Schmerzen verwendet werden soll, wurden bei einer Überprüfung gleich fünf synthetische Arzneimittel entdeckt: der Kortisonabkömmling Betamethason, das Rheumamittel Piroxicam, das Schmerzmittel Paracetamol, das entwässernde Furosemid und Oxetacain, ein Oberflächen betäubendes Mittel, das in Kombination mit Säure bindenden Mitteln (Antazida) Schmerzen bei Sodbrennen lindern soll. Vor solchen Vielfachkombinationen und deren unkalkulierbaren Folgen warnen wir dringend.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2014 / S.27