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©Dean_Mitchell_iStock

Wobenzym® für kranke Gelenke? Viel heiße Werbeluft

„Wobenzym® plus bei aktivierter Arthrose – so wirksam wie Diclofenac, so verträglich wie Placebo“, wirbt die Mucos GmbH im Internet für das „stärkste Wobenzym®, das es je gab“1. Das klingt verdächtig gut, beschreibt aber den tatsächliche Nutzen des Enzympräparats nicht realitätsnah.

Zunächst erscheinen einige Erläuterungen zur zitierten Werbung erforderlich: Als aktivierte Arthrose bezeichnet man Gelenkverschleiß, der über das altersübliche Maß hinausgeht und durch Überlastung „aktiviert“ wird, das heißt Entzündung und Erguss inklusive einer Schwellung mit sich bringt. In solchen Situationen verordnen Ärzte oft Entzündungshemmer wie Diclofenac (GPSP 4/2012, Seite 5). Und um „das stärkste Wobenzym®“ handelt es sich bei Wobenzym® Plus lediglich, weil es die Enzyme höher dosiert enthält als das Vorläuferpräparat. Über den tatsächlichen Nutzen der Plus-Variante – die Stärke der Wirksamkeit – sagt dies nichts aus. Wobenzym® Plus enthält die Enzyme Bromelain (aus der Ananas) und Trypsin sowie Rutosid, ein Flavonoid aus dem japanischen Pagodenbaum.

Wenn man nach Studien sucht, die die Wirksamkeit des pflanzlichen Arzneimittels Wobenzym® belegen, bleibt das Ergebnis dürftig, folgerte kürzlich das arznei-telegramm®. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hatte früher ebenfalls fehlende Nutzenbelege bemängelt.2 Die Firma Mucos bezieht sich in ihrer Werbung auf eine nicht veröffentlichte zusammenfassende Auswertung (Metaanalyse) von sechs Studien mit Wobenzym® Plus bei aktivierter Arthrose. Nur drei davon sind jedoch veröffentlicht, sodass schon deshalb eine unabhängige Bewertung der Wirksamkeit nicht möglich ist.3 Und in diesen drei veröffentlichten Studien wird das Präparat nicht gegen Placebo geprüft, wie es die europäische Arzneimittelbehörde EMA für einen Wirksamkeitsnachweis bei Arthrose fordert. Während die EMA zudem eine Studiendauer von wenigstens drei Monaten als notwendig erachtet, umfassen die drei Wobenzym®-Studien maximal sieben Wochen. Nutzenbelege, die Mindestanforderungen genügen, fehlen somit.4

Unbefriedigend ist die Situation auch in Bezug auf die Anwendung bei Schwellungen und Entzündungen als Folge von Verletzungen. Eine größere Untersuchung mit mehr als 600 Patienten, in der Wobenzym® Plus bzw. ein oder mehrerer Einzelwirkstoffe des Präparates gegen Placebo untersucht wurden, lässt keinen Nutzen erkennen: Nach sieben Tagen sind Schmerzen beim Gehen sowie Schwellungen und Bewegungsumfang des Sprunggelenks bei denen, die Wobenzym® einnahmen, nicht besser als bei denen, die ein wirkstofffreies Placebo schluckten. Damit werden positive Effekte, die in zwei kleinen, methodisch mangelhaften Studien mit 40 bzw. 60 Patienten, die der Hersteller zur Verfügung gestellt hat, nicht bestätigt.3 Außerdem: Bei Entzündungen oberflächlicher Venen (Thrombophlebitis), gegen die Wobenzym® Plus ebenfalls verkauft wird, hat die Firma Mucos dem arznei-telegramm® mitgeteilt, dass hierzu bislang keine Studien veröffentlicht sind.3,5 Der Nutzen von Wobenzym® auch in diesem Anwendungsgebiet lässt sich daher nicht beurteilen.

Angesichts unzureichender beziehungsweise fehlender Nutzenbelege raten wir von Kauf und Einnahme von Wobenzym® Plus ab. Das entlastet auch die Geldbörse.* * Eine Packung mit 200 Tabletten, die bei täglich sechs Tabletten gut einen Monat lang reicht, kostet 63,89 Euro (Listenpreis).

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2014 / S.08