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@ MachineHeadz/ istockphoto.com

Tamoxifen-Gentest – teure Ungewissheit

Brustkrebspatientinnen profitieren nicht

Für teures Geld wird ein Gentest angeboten, der bei Patientinnen mit hormonsensitivem Brustkrebs den Nutzen von Tamoxifen individuell vorhersagen soll. Sie müssen den Test in der Regel selbst zahlen, da die Krankenkassen keinen Sinn darin sehen. Worum geht es?

Brustkrebs ist nicht gleich Brustkrebs. Darum nützt das Antiöstrogen Tamoxifen nur jenen Frauen, bei denen das Tumorwachstum von Östrogen gefördert wird. Bei solchem hormonsensitivem Brustkrebs hemmt Tamoxifen das Tumorwachstum. Tamoxifen ist ein sogenannter SERM, ein selektiver Modulator des Rezeptors für das Östrogen Estradiol. „Selektiv“ bedeutet: Der Wirkstoff bindet an diesen Rezeptor und bewirkt, dass das körpereigene Östrogen seine wachstumsstimulierende Wirkung auf Tumorzellen nicht mehr entfalten kann. Wenn also Brustkrebszellen östrogensensitiv sind, wird durch Tamoxifen das Wachstum des Tumors oder seiner Metastasen verringert. Das ist ohne Zweifel belegt. Tamoxifen ist deshalb ein Standardmedikament bei Brustkrebs.

Warum überhaupt ein Gentest?

Tamoxifen ist durchaus selbst am Rezeptor wirksam. Doch es wird im Körper zum Teil in die noch intensiver an den Rezeptor bindende Substanz Endoxifen umgewandelt. Für diese biochemische Umwandlung (Metabolisierung) sorgt das körpereigene Enzym Cytochrom P450 (CYP), und zwar vorwiegend in seiner Variante CYP2D6.

Und da setzt der Test an. Genetisch bedingt haben Menschen eine individuell unterschiedliche CYP2D6-Aktivität: Die Mehrheit der Menschen (knapp 70%) zählt zu den Extensive Metabolizers (EM), d.h., sie verfügen über eine normale Enzymaktivität. Bei 10-15% ist die Enzymaktivität geringer, sie werden als Intermediate Metabolizers (IM) bezeichnet. Die restlichen sind Poor Metabolizers (PM), sie haben eine geringe Enzymaktivität.

Die unterschiedliche Enzymaktivität führt dazu, dass die Endoxifen-Spiegel bei Patientinnen, die Tamoxifen einnehmen, unterschiedlich hoch sind. Das führte zu der Befürchtung, dass bei Patientinnen mit niedriger Enzymaktivität (IM und vor allem PM) Tamoxifen schlechter gegen Tumoren wirkt, weil bei ihnen Tamoxifen in geringerem Ausmaß in das wirksamere Endoxifen umgewandelt wird.

Auf diese Befürchtung baut das Marketing für den Gentest auf, der die Patientinnen über ihre CYP2D6-Variante aufklären soll und behauptet: Frauen mit IM und PM haben geringeren Nutzen von Tamoxifen. „Das Resultat ist eine teilweise oder (bei ca. 7% der Frauen) sogar weitgehend wirkungslose Therapie.“1 Aber stimmt diese Aussage des Test-Herstellers Stada überhaupt?

Warum zahlen die Kassen nicht?

Die Theorie für den Test erscheint ja sehr plausibel: Patientinnen mit der höchsten CYP2D6-Enzymaktivität (EM) profitieren von Tamoxifen, während das bei IM weniger und bei PM gar nicht der Fall ist. Vielleicht sollten PM-Patientinnen das Medikament gar nicht nehmen? Das müssten Krankenkassen doch berücksichtigen und am Gentest interessiert sein!

Doch nun kommt der Pferdefuß: Es fehlt der wissenschaftliche Nachweis, dass die genetische Diag­nostik den Therapieerfolg verbessert. Der Hersteller des Tests macht zwar Vorschläge, wie der Arzt die Therapie anhand der Testergebnisse anpassen sollte, etwa durch eine Anpassung der Tamoxifen-Dosis oder die Wahl eines alternativen Arzneistoffs aus der Gruppe der Aromatasehemmer.

Aber es fehlt der Nachweis, dass der Test überhaupt vorhersagen kann, ob Tamoxifen bei manchen Frauen schlechter wirksam ist. Zudem gibt es für Frauen vor der Menopause gar keine therapeutische Alternative zu Tamoxifen, denn Aromatasehemmer dürfen sie nicht einnehmen. Sie können schon deshalb von dem Test keine Vorteile haben.

Wie oben beschrieben, ist Tamoxifen selbst durchaus am Östrogen-Rezeptor der Brustkrebszellen wirksam. Außerdem: Nicht nur CYP2D6, auch weitere Varianten der Cytochrom-P450-Enzyme fördern die Umwandlung von Tamoxifen in Endoxifen. Ob also Patientinnen mit hoher CYP2D6-Enzymaktivität am Ende einen günstigeren Krankheitsverlauf haben, ist derzeit offen.

Selbst die wissenschaftliche Fraktion, die sich seit Jahren grundsätzlich für die Anpassung der Tamoxifen-Therapie an die genetische Ausstattung stark macht, fordert gezieltere Studien, bevor der Test in der Routinebehandlung eingesetzt wird.2 Die neuesten Übersichtsarbeiten finden entweder überhaupt keine Abhängigkeit der Überlebensdauer bei Brustkrebs von den CYP2D6-Varianten,3 oder sie lenken das Augenmerk auf andere genetische Untersuchungen, die heute ebenfalls noch nicht Standard sind.4

Fazit

Tamoxifen ist derzeit der Behandlungsstandard, um nach der primären Behandlung das Risiko des Wiederauftretens von Brustkrebs zu verringern. Auch wenn es theoretische Hinweise gibt, dass Tamoxifen bei manchen Frauen wirksamer und bei manchen Frauen weniger wirksam sein könnte, ist die wissenschaftliche Studienlage keineswegs so, dass vom Ergebnis genetischer Tests Konsequenzen für oder gegen Tamoxifen abgeleitet werden. Daher sehen wir derzeit keine Argumente, die Durchführung eines solchen Tests zu empfehlen. Sollte es in einigen Jahren durch weitere Studien anders aussehen, wird GPSP zeitnah darüber berichten.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2018 / S.04