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© SolStock_iStock

Osteoporose: Knochendichtemessung selbst zahlen?

Verbraucherzentrale bemängelt IGeL-Praxis beim Arzt

Immer noch bieten einige Ärzt:innen die Knochendichtemessung bei Osteoporose nur für Selbstzahler an. Dabei zahlt die Krankenkasse in einigen Fällen.

Wie hoch ist das Risiko für einen Knochenbruch? Um das herauszufinden, kann bei Osteoporose oder bestimmten Patientengruppen eine Messung der Knochendichte helfen. Das gebräuchlichste Verfahren bezeichnen Fachleute als „Dual-Energy X-ray Absorptometrie“, kurz DXA. Dabei wird die Lendenwirbel­säule geröntgt.

Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt (siehe Infokasten), übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten. Allerdings gibt es immer wieder Hinweise darauf, dass Arztpraxen die DXA lieber als Selbstzahlerleistung (individuelle Gesundheitsleistung, IGeL) anbieten. Diesen Verdacht bestärkt auch ein Marktcheck der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, der im Frühjahr 2022 erschienen ist.1

Marktcheck in NRW

Dazu hat die Verbraucherzentrale beispielhaft in vier Regionen in Nordrhein-Westfalen Daten erhoben, indem sie verdeckt Facharztpraxen für Orthopädie und Radiologie per E-Mail anschrieb oder anrief. Dabei schilderten die Mitarbeitenden der Verbraucherzentrale eine fiktive Patientin, die von ihrem Hausarzt eine Überweisung für eine DXA erhalten hatte. Die Praxen sollten Auskunft geben, ob in der beschriebenen Konstellation eine Kassenleistung möglich sei oder mit welchen Kosten anderenfalls für eine Selbstzahlerleistung zu rechnen wäre. Die Verbraucherzentrale hatte dabei die Konstellation so konstruiert, dass objektiv die Voraussetzungen für eine Kassenleistung gegeben waren.

Was dabei herauskam

Von den 32 Praxen antworteten mehr als 70 Prozent, dass sie die Leistung nur als IGeL erbringen würden. Nur jede fünfte Praxis erklärte, dass die DXA als Kassenleistung möglich sei. Von gut 40 Prozent der Praxen erhielten die Anfragenden sogar die falsche Auskunft, dass die Krankenkassen die DXA grundsätzlich nicht oder in diesem konkreten Fall nicht übernehmen würden.

Lukrative Zusatzeinnahmen

Vermutlich ein wichtiger Grund, die DXA als IGeL zu verkaufen und nicht auf Kassenkosten durchzuführen: Von der gesetzlichen Krankenkasse erhalten Ärzt:innen nach Recherchen der Verbraucherzentrale ein Honorar von 30,19 Euro. Für DXA als IGeL können sie nach der ärztlichen Gebührenordnung dagegen bis zu 51 Euro abrechnen.

In der Erhebung nannten die Praxen auf Anfrage für die IGeL Preise zwischen 45 und 55 Euro. Die Verbraucherzentrale verweist auf andere Erhebungen, nach denen es große regionale Unterschiede gibt, welche Summe Arztpraxen für eine Knochendichtemessung in Rechnung stellen. Teilweise werden auch Honorare von bis zu 70 Euro verlangt.

Bei IGeL kontrolliert im Gegensatz zur Kassenleistung auch niemand, ob die Messung für die Patient:innen tatsächlich Sinn macht. Es ist davon auszugehen, dass Praxen die Knochendichtemessung als Früherkennung von Osteoporose für eine deutlich breitere Gruppe von Menschen anbieten, als sie dem Leistungsumfang der Krankenkassen entspricht.

Hinzu kommt: Für die DXA als Kassenleistung müssen die Mediziner:innen bestimmte fachliche Voraussetzungen nachweisen und eine Genehmigung beantragen, für den Verkauf von IGeL ist das nicht notwendig. Günstig für alle, die sich Bürokratie sparen wollen – aber nicht unbedingt ein Ausdruck von Qualitätsbewusstsein.

Keine Genehmigung einzuholen, wenn es fachlich möglich wäre, und stattdessen Privatleistungen abzurechnen, verstößt nach Einschätzung des GKV-Spitzenverbandes gegen die vertraglich geregelten Pflichten als Kassenärztin oder Kassenarzt.

Was sich ändern muss

Auf der Grundlage des Marktchecks stellt die Verbraucherzentrale deshalb einige Forderungen: Um das Angebot von DXA als Kassenleistung zu verbessern, sollten Ärzt:innen verpflichtet werden, die Genehmigung zu beantragen, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind. Verstöße dagegen sollten disziplinarrechtlich geahndet werden.

Betroffene brauchen nach Einschätzung der Verbraucherzentrale außerdem bessere Informationen: So sollen Arztpraxen, die DXA nur als Privatleistung anbieten, auf Praxen in der Nähe hinweisen müssen, die die Voraussetzungen für Kassenleistungen erfüllen. Online-Portale für die Arztsuche sollten außerdem auch Informationen zu DXA-Genehmigungen enthalten.

Was tun?

Die Verbraucherzentrale empfiehlt: Alle, die eine Knochendichtemessung vor sich haben oder die diese empfohlen bekommen, sollten sich von der Patientenberatungsstelle der für sie zuständigen Ärztekammer2 die Praxen nennen lassen, die eine solche Untersuchung mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können. Alternativ lohnt es sich, bei Praxen in der Umgebung gezielt nachzufragen, ob sie eine entsprechende Genehmigung besitzen.

Ebenso kann es sinnvoll sein, Arzt oder Ärztin konkret zu fragen, ob sie die Knochendichtemessung als Basis für eine Therapieentscheidung benötigen, also ob sie damit klären wollen, ob Medikamente gegen Osteoporose sinnvoll sind oder nicht. Dann ist die Messung nämlich eine Kassenleistung.3

 

Knochenbrüche im Alter

IGel-Wildwuchs

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2022 / S.04