Zum Inhalt springen
©mr.markin/fotolia

Herztod – Sportler screenen?

Von Zeit zu Zeit erfahren wir aus den Medien, dass ein junger, offenbar gesunder Sportler durch plötzlichen Herztod gestorben ist. Und es stellt sich die Frage, ob das nicht zu verhindern war: Lassen sich solche Todesfälle durch ein routinemäßiges Prüfen der Herzgesundheit (Screening) vermeiden?

Wie oft solche tödlichen Herzattacken bei jungen Sportlern und Sportlerinnen vorkommen, ist nicht klar. Die Zahlenangaben schwanken zwischen einer und etwa 300 Personen von einer Million, resümiert ein Überblicksartikel.3 Klar ist, dass junge Männer häufiger betroffen sind als junge Frauen und dass Sport einen plötzlichen Herztod bei jungen Athleten auslösen kann. Außerdem: Etwa einer von 100 dieser Verstorbenen hatte ein unerkanntes Herzproblem.
Screening auf Herzprobleme, zum Beispiel durch ein  Belastungs-EKG, bedeutet allerdings, dass bei vielen Menschen Auffälligkeiten entdeckt werden, die ihnen möglicherweise Angst machen und zu Nachuntersuchungen oder Therapien führen – und sich später als überflüssig erweisen. Meist führen selbst kleinere Auffälligkeiten zum Ausschluss vom Sport, insbesondere vom Wettkampfsport – obwohl das oft überflüssig ist.

Problematisch ist umgekehrt aber auch, dass beim Screening Herzprobleme übersehen werden, die tödliche Folgen haben können: Jede vierte Person mit Risiko wird gar nicht entdeckt. Um Nutzen und Schaden durch Screening-Programme zu ermitteln, braucht man gute Vergleiche zwischen Personengruppen, die an einem solchen Programm teilgenommen beziehungsweise nicht teilgenommen haben. Aber diese Studien gibt es nicht.

Dass dennoch ein Screening auf Herzrisiken propagiert wird, geht vor allem auf Zahlen aus einer Region in Italien (Venetien) zurück, wo alle jungen Sportler und Sportlerinnen seit Jahrzehnten gescreent werden. Angeblich ist zwischen 1979 und 2004 dadurch der Herztod bei jungen Athleten viel seltener geworden: statt 36 sind es nur noch 4 auf eine Million. Doch diese Daten zweifelt der Überblicksartikel im seriösen British Medical Journal an: Da immer mehr Frauen im Wettkampfsport aktiv sind, könnte das Ergebnis auch deshalb mit der Zeit immer besser ausgefallen sein: Frauen haben ein geringeres Herztod-Risiko. Unklar ist zudem, warum in Venetien nur die Zeitspanne zwischen 1979 und 2004 ausgewertet wurde, obwohl in Italien dieses Screening seit 1971 und – zwar bis heute – Vorschrift ist. Schließlich verwundert, dass die italienischen Wissenschaftler ihre Daten nicht anderen Wissenschaftlern zur Verfügung stellen, damit diese die Zusammenhänge nachvollziehen können.

Fazit: Solange es nicht gelingt, junge Athleten und Athletinnen mit hohem Risiko für einen Herztod durch ein Screening einigermaßen zuverlässig herauszufiltern, spricht nichts für das aufwendige Verfahren.

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2016 / S.14