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Gute alte Pillen: Metformin – Der Diabetes-Klassiker

Die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ 2) behandeln Ärzte fast immer zunächst mit Tabletten, den oralen Antidiabetika. Sie senken den krankhaft erhöhten Blutzuckerspiegel. Doch eigentliches Ziel ist es, Folgeschäden dieser Stoffwechselerkrankung zu verhindern, vor allem Herzinfarkt und Schlaganfall. Metformin schneidet hier überraschend gut ab.

Metformin ist eines der ältesten oralen Arzneimittel zur Behandlung der Zuckerkrankheit. Seine Wirksamkeit ist vergleichsweise gut belegt, besonders für Menschen mit Übergewicht. Metformin verringert das Risiko von Herzinfarkt, Schlaganfall und letztlich Sterblichkeit bei Diabetikern. Kaum zu glauben, aber wahr: Für kein einziges in den letzten Jahrzehnten hinzugekommenes Antidiabetikum konnte dies bisher gezeigt werden. Daher ist Metformin das am häufigsten eingesetzte orale Antidiabetikum – zu Recht eine gute alte Pille!

Orale Antidiabetika
sind Medikamente, die geschluckt und nicht gespritzt werden.
(Lateinisch os = Mund)

So wirken orale Antidiabetika

Traubenzucker (Glukose) gelangt zum einen mit der Nahrung über den Darm in unser Blut, zum andern wird er aus der Leber ins Blut freigesetzt. Mal mehr, mal weniger. Das ist normal. Der Zuckerspiegel im Blut wird vor allem durch Insulin reguliert. Ungünstig wird es, wenn die Zuckerregulation gestört und damit der Blutzuckerspiegel ständig erhöht ist. Die oralen Antidiabetika zielen darauf ab, den Glukosegehalt im Blut zu senken. Sie tun das über verschiedene Mechanismen, und durchaus effektiv.

Metformin gehört zur Arzneistoffgruppe der Biguanide. Obwohl schon Jahrzehnte als Medikament eingesetzt, ist bisher nicht vollständig klar, wie es in den Körperzellen wirkt. Möglicherweise hemmt Metformin die Aufnahme von Glukose aus der Nahrung.
Gesichert ist dagegen, dass Metformin in der Leber die Umwandlung von Aminosäuren (Bestandteile vom Eiweiß) in Zucker verringert und dessen Freisetzung in den Blutkreislauf mindert. Mit diesem Stoffwechselprozess wird dem Körper normalerweise der Brennstoff bereitgestellt, den er braucht. Nötig ist das dann, wenn nicht genügend Zucker durch die Nahrung zugeführt wird.

Warum Blutzucker senken?

Diabetes ist eine komplexe Krankheit mit unterschiedlichen Auswirkungen auf den Körper. Was für Patientinnen und Patienten zählt, sind die langfristigen Ziele der Therapie. Das eigentliche Problem besteht nämlich nicht im Blutzuckerwert. Viel wichtiger sind die Folgeschäden des Diabetes, die sich über viele Jahre entwickeln: Herzinfarkt und Schlaganfall, aber auch Verschlechterung der Sehkraft, der Nierenfunktion und der Durchblutung. Der Blutzucker soll also gesenkt werden, damit diese Folgeschäden nicht eintreten.

Bislang nahm man an, dass der Behandlungseffekt umso stärker ist, je niedriger der erreichte Langzeitblutzuckerwert ist (HbA1c, siehe Kasten). Dies erwies sich leider als Trugschluss, wie große Untersuchungen der letzten Jahre gezeigt haben. Kehrseite der Medaille sind nämlich die ernsten unerwünschten Wirkungen der Medikamente. Darum sind Ärzte heute beim HbA1c-Wert nicht mehr so auf den Normalbereich fixiert, sondern bei Abweichungen viel toleranter.

Essen und Bewegung

Da Diabetes mellitus Typ 2 meist mit Übergewicht einhergeht, helfen vielen Menschen schon Diät und regelmäßige Ausdauerbewegung. Damit lassen sich sehr wirkungsvoll die Blutzuckerwerte senken. Reicht dies nicht aus, sind Medikamente unumgänglich. Doch bei allen wirksamen Mitteln kommen Nebenwirkungen vor. Dies gilt selbstverständlich auch für Metformin.

Keine Wirkung ohne Nebenwirkung

Zu Behandlungsbeginn können Magen-Darm-Beschwerden auftreten wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen. Eine einschleichende Dosierung, also eine schrittweise Erhöhung der Dosis im Laufe von 2 bis 3 Wochen, kann diese Nebenwirkungen abmildern.
Eine gefährliche unerwünschte Wirkung ist eine Übersäuerung des Körpers mit Milchsäure (Laktazidose). Sie macht sich beispielsweise durch eine vertiefte Atmung, Übelkeit oder Bauchschmerzen bemerkbar. Die Symptome sind nicht eindeutig, darum lässt der Arzt in einer Laboruntersuchung absichern, ob es sich tatsächlich um eine Laktazidose handelt.

Besonders sorgfältig müssen Ärzte die Vor- und Nachteile von Metformin abwägen, wenn die Nieren nicht mehr so gut funktionieren – was bei älteren Diabetikern häufiger vorkommt. Metformin wird über die Nieren vom Körper ausgeschieden. Wenn das nicht mehr richtig klappt, steigt die Konzentration im Blut an und es droht die beschriebene Laktazidose. Bei leicht bis mäßig eingeschränkter Nierenfunktion muss der Arzt deshalb die Metformin-Dosis verringern, bei stark eingeschränkter Nierenfunktion sollte er einen anderen Wirkstoff wählen.

Diabetes kontrollieren

  • Nüchternblutzucker misst der Arzt oder die Ärztin aus einer Blutprobe am Morgen vor dem Frühstück. Der Normalwert liegt unter 126 mg/dl (7,0 mmol/l) im Blut.
  • Oraler Glukose-Toleranztest: Nachdem der Patient Glukoselösung (75 g in einem großen Wasserglas) getrunken hat, sollte nach 60 bzw. 120 min der Blutzucker unter 180 mg/dl (10,0 mmol/l) bzw. 155 mg/dl (8,6 mmol/l) liegen.
  • HbA1c war für Jahrzehnte der klassische Messwert. Glukose bindet zu einem gewissen Maß an den roten Blutfarbstoff Hämoglobin (Hb); das entstandene Molekül heißt HbA1c. Da diese Bindung nicht mehr gelöst wird, bildet der HbA1c-Wert die Glukose-Konzentration im Blut über die vergangenen zwei Monate ab – quasi als Langzeitblut­zuckerwert. Es wird heute nicht mehr unter allen Umständen versucht, den HbA1c-Wert auf den Normalbereich von 4–6% abzusenken, sondern eher auf 7-8%.1

Studiensieger Metformin

Da die Folgeschäden von Diabetes mellitus Typ 2 erst viele Jahre nach Beginn der Erkrankung eintreten, lässt sich nur Langzeitstudien entnehmen, was die Therapie auf die Dauer bringt. Die längste dieser Studien war die britische UKPDS, die seit 1977 über drei Jahrzehnte lief. Diese Studie hatte eindrucksvolle Ergebnisse. Eines der wichtigsten war überraschenderweise unabhängig vom Blutzucker: Am meisten profitierten die Diabetiker davon, wenn der bei Diabetes Typ 2 meist auch erhöhte Blutdruck mit einem Medikament gesenkt wurde. Sie erlitten weniger oft Herzinfarkt, Schlaganfall und andere Durchblutungsstörungen.2

Zusätzlich erwies sich dann die antidiabetische Behandlung mit Metformin als wirksam, weil es die Herz-Kreislauf-Risiken weiter senkte und die Patienten sogar länger lebten.3 Das macht Metformin nahezu einzigartig. Denn keines der zahlreichen oralen Antidiabetika, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommenen sind, konnte solche Ergebnisse liefern. Es kam noch schlimmer: Vor wenigen Jahren musste der Wirkstoff Rosiglitazon vom Markt genommen werden, weil er zwar den Blutzucker senkte, aber statt vor Herzinfarkt zu schützen,. sogar zusätzliche Infarkte auslöste.4

Fazit

So alt Metformin sein mag: Dieser Arzneistoff ist der wichtigste in der oralen antidiabetischen Therapie, wenn Diät und Bewegung nicht zu einer ausreichenden Blutzuckersenkung führen. Metformin ist auf Grund seiner Wirksamkeit der Standard, an dem sich alle neueren oralen Antidiabetika messen lassen müssen.

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2015 / S.24