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© Vesalainen/ iStockphoto.com

Don’t panic – oder blinder Alarm!

Was man gegen Panikattacken tun kann

Es kann gute Gründe geben, in Panik zu geraten. Bei einer ausweglos erscheinenden Gefahr zum Beispiel – zum Glück passiert so etwas selten. Was aber, wenn man ohne nachvollzieh­baren Grund eine solche Attacke bekommt?

Hermann P.: „Wie oft bin ich schon schweißgebadet in der Notaufnahme gelandet: Herzrasen, Atemnot, Schmerzen in der Brust. Und jedes Mal von dort zum Kardiologen. Und dann? Alles gemacht: EKG, Belastungs-EKG. Ergebnis: Herz in Ordnung. Mir geht es dann ja auch schon wieder gut. Der Kardiologe ist ratlos. Und ich erst! Ich traue mich schon nicht mehr allein aus dem Haus. Ist doch logisch!“

Eine leider nicht untypische Geschichte: Was Herrn P. immer wieder in der Notaufnahme „landen“ lässt, sind die körperlichen Symptome einer Panikattacke. Ja, er gerate in Panik, sagt Herr P. Und: „Ist das nicht normal bei einem drohenden Herzinfarkt?!“

Was bei Panik passiert

In Panik geraten wir, wenn wir uns einer möglicherweise lebensbedrohlichen Gefahr hilflos ausgesetzt fühlen. Wir haben panische Angst und unser Körper reagiert: Blutdruck und Herzfrequenz steigen, die Atmung wird schnell und flach, die Muskeln spannen sich an, die Blutgefäße verengen sich, Hände und Füße werden eiskalt… alles typische Anzeichen einer akuten Stressreaktion, die – ein altes Erbe der Evolution – uns zu Flucht oder Kampf befähigen könnten.

Auch wer eine Panikattacke erlebt, kennt diese Symptome. Er spürt, wie sein Herz rast, hat das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Die Brust schmerzt. Er beginnt zu zittern, die Knie werden weich, Hände und Füße beginnen zu prickeln. Ihm wird übel und schwindlig. Die Umgebung wird irgendwie irreal oder fremd…

Ein solcher Panikzustand beginnt anfallsartig, erreicht innerhalb von einigen Minuten sein Maximum, und klingt oft in wenigen Minuten wieder ab.

Ohne erkennbaren Grund

Der Unterschied zur Panik: Im Fall einer Panikattacke treten die Symptome völlig unerwartet und ohne ersichtliche (reale oder befürchtete) Gefahr auf – wie aus heiterem Himmel. Dann erst – so fühlt es sich an – kommt panische Angst: Ich ersticke, ich bekomme einen Herzinfarkt, ich werde verrückt, ich verliere die Kontrolle über mich!

Die Erfahrung einer Panikattacke machen nicht wenige Menschen. An einer ausgeprägten Panikstörung leiden jedoch viel weniger. Was ist der Unterschied?

Panikstörung: Die Angst vor der Angst

Nicht jede Panikattacke ist eine Panikstörung. Man spricht von einer Panikstörung, wenn Menschen befürchten, in bestimmten Situationen ohne offensichtlichen Anlass immer wieder eine Panikattacke zu erleiden und ihr Leben ändern, um nie wieder eine solche Panikattacke zu erleben.

Menschen mit einer Panikstörung haben solche Angst vor einer neuerlichen Panikattacke, dass sie sich dagegen abzusichern versuchen wie zum Beispiel Herr P.: „Ich trau mich allein nicht mehr aus dem Haus“. Oder: „Ich muss mich schonen, weil ich mein Herz nicht überlasten darf.“ Eine andere Strategie kann sein: „In eine U-Bahn steigen kann ich nicht mehr. Was ist, wenn ich dort eine Panikattacke bekomme?“ Viele Betroffene meiden Orte und Situationen, die sie mit den vorangegangen Panikattacken in Verbindung bringen. „Gefährlich“ und damit zur No-Go-Area werden Orte, wo keine Hilfe (beispielsweise durch Rettungswagen, Defibrillator) oder Flucht möglich ist.

Vermeiden – koste es, was es wolle

Eine Panikstörung ist es spätestens dann, wenn Vermeidung und Absicherung das Leben bestimmen. Denn die (Erwartungs-)Angst vor weiteren Panik­attacken und die Gegenstrategien können zu Verhaltensweisen führen, die das Leben immer weiter einschränken. Ein Vermeidungsverhalten „um jeden Preis“ (an Lebensqualität) kann bis zu langen Krankschreibungen und sogar zur Frühberentung führen.

Diagnose, Beratung und Behandlung

Panikstörungen bleiben leider als solche lange unerkannt und damit unbehandelt, da meist die körperlichen Symptome sowohl bei Betroffenen als auch bei den aufgesuchten Ärzten verschiedener Fachrichtungen ganz im Vordergrund stehen.

Voraussetzung jeder Behandlung ist also die richtige Diagnose, die im Fall einer Panikstörung – nach Ausschluss organischer Ursachen – nur nach einer sorgfältigen Anamnese der Lebens- und Leidensgeschichte des Patienten gestellt werden kann. Ein erster und wesentlicher Schritt ist dann die Aufklärung des Patienten. Sie muss seine „organische Krankheitstheorie“ korrigieren. Der Patient muss erkennen: Ich bin nicht körperlich krank. Und: So schlimm und ängstigend die körperlichen Symptome auch sind – gefährlich sind sie nicht. Dieses Wissen kann helfen, eine Panik­attacke „auszuhalten“.

Generell gilt: Menschen, die sich den sie ängstigenden Situationen – und damit den eigenen körperlichen Paniksymptomen aussetzen – und das Ansteigen und wieder Absinken der Panikkurve erleben, lassen eine entscheidende Erfahrung zu: „Ich kenne das! Es passiert mir nichts, es geht vorbei!“

Im Panikanfall profitieren Betroffene von bestimmten Atemtechniken wie zum Beispiel der sogenannten kontrollierten Bauchatmung. Sie wirkt auch gegen Hyperventilation, die bei einer Panikattacke die Symptome verstärkt. Sport kann ebenfalls zur Besserung beitragen. Wer erlebt, dass „Herzrasen“ und „Atemnot“ natürliche beziehungsweise selbst herbeigeführte „normale“ Reaktionen auf körperliche Anstrengung sind, kann seine vermeidende Schonhaltung leichter aufgeben.

Eine Therapie im eigentlichen Sinn braucht, wer sich dieser Erfahrung nicht stellen kann, da die Angst zu groß ist. Hier kommen sowohl Psychotherapie (meist kognitive Verhaltenstherapie) als auch Medikamente (oft in Kombination mit einer Psychotherapie) zum Einsatz.

In der Therapie geht es vor allem um die „Angst vor der Angst“ („Erwartungsangst“) und das damit zusammenhängende Vermeidungsverhalten. Das Therapieziel: Die oder der Betroffene lernt umzudenken und sich der Angst zu stellen.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2020 / S.06