Aus für Desmopressin-Nasenspray
Nächtliches Bettnässen
Viele Kinder leiden darunter, dass sie nachts unwillkürlich einnässen. Nasensprays mit dem Wirkstoff Desmopressin (Minirin® u.a.) dürfen jetzt wegen möglicher Nebenwirkungen nicht mehr verwendet werden. Wir empfehlen Methoden ohne Medikamente.
Im Alter von fünf Jahren ist für die meisten Kinder die Zeit der Windeln vorbei. Aber jedes sechste Kind in diesem Alter macht noch gelegentlich das Bett nass. Unter den Siebenjährigen ist noch jedes zehnte betroffen. Es gibt verschiedene Ansätze, das Problem in den Griff zu bekommen (siehe Kasten). Am besten erprobt sind Wecksysteme (z.B. Klingelhosen) und Medikamente wie Desmopressin (Minirin® u.a.).
Desmopressin ist ein künstlich abgewandeltes menschliches Hormon, das die Harnausscheidung verringert. Seit Mai 2007 darf es als Nasenspray nicht mehr gegen nächtliches Bettnässen verwendet werden, sondern nur noch als Tablette. In Frankreich wurde das Nasenspray bereits 2006 zur Behandlung von Bettnässen verboten, Anfang 2007 auch in Großbritannien.1,3 In Deutschland strich nun die Ferring GmbH als erste Firma dieses Anwendungsgebiet bei Minirin® Nasenspray und Minirin® Rhinyle®.2 Alle anderen Anbieter müssen folgen.
Der Grund für die Einschränkungen liegt in einer seltenen, aber bedrohlichen Nebenwirkung: Vor allem beim Nasenspray besteht die Gefahr einer Wasservergiftung. Zu dieser Komplikation kann es kommen, weil Desmopressin in den Nieren die Urinproduktion bremst und so zu einer Flüssigkeitsansammlung im Körper führen kann.
Solche Wasservergiftungen sind meist Folge von Überdosierungen. Sie kommen besonders zu Behandlungsbeginn vor, nach Dosiserhöhung oder aufgrund von Anwendungsfehlern. Auch bei Entzündungen der Nasenschleimhaut sind die Kinder gefährdet, da dann mehr Wirkstoff in den Blutkreislauf gelangt. Wird in den Stunden nach der Anwendung von Desmopressin die Trinkmenge nicht begrenzt, erhöht auch dies das Risiko einer Wasservergiftung. Kinder mit geringem Körpergewicht sind ebenfalls stärker gefährdet.3
Alarmzeichen, die auf eine Wasservergiftung hinweisen können, sind rasche Gewichtszunahme, ungewöhnliche Müdigkeit und Appetitlosigkeit mit Übelkeit und Erbrechen. Auch Kopfschmerzen, die zum Teil mit Beschwerden wie Reizbarkeit, Verwirrtheit, Schläfrigkeit und Krampfanfällen bis hin zum Koma einhergehen, können auftreten. Sie beruhen auf einem Anschwellen des Gehirns (Hirnödem) durch den Wasserüberschuss.3
Die französische Arzneimittelbehörde rät auch bei Desmopressin-Tabletten zur Zurückhaltung. Auf keinen Fall sollen die Tabletten nur für eine kurze Zeit, beispielsweise anlässlich einer Klassenfahrt, eingenommen werden. Im Fall von Infektionen, vor allem bei Fieber und Magen-Darm-Erkrankungen, ist die Behandlung zu unterbrechen.3
Achtung: Desmopressin-haltige Nasensprays sind für andere Anwendungsbereiche nach wie vor im Handel. Wegen der potenziell bedrohlichen Nebenwirkung raten wir jedoch dringend davon ab, das Spray gegen nächtliches Bettnässen anzuwenden. Diese Warnung ist vor allem deshalb wichtig, da noch längere Zeit Packungen mit dem alten Beipackzettel im Handel sein werden – inklusive der überholten und riskanten Anwendungsempfehlung bei Bettnässen. Aus Kostengründen verzichten die Firmen meist darauf, bereits ausgelieferte Ware aus dem Handel zurückzurufen und diese mit aktuellen Gebrauchsinformationen zu versehen.
Stand: 1. Juni 2007 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2007 / S.04