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ADHS: Methylphenidat vergessen?

Dauererektion als Nebenwirkung

Männliche Jugendliche, die das Medikament Methylphenidat einnehmen, können unangenehme Probleme bekommen. Wird die Einnahme nur einer der hochdosierten Tablette vergessen, können Entzugserscheinungen zu einer Dauererektion des Penis führen.

Eine besonders unangenehme Erfahrung machte ein 16-Jahre alter Jugendlicher, der gegen das Aufmerksamkeitsdefizit-Hypersensivitäts-Syndrom (ADHS; siehe GPSP 12/2005, Seite 10) täglich hoch dosiertes Methylphenidat* einnahm. Sobald er sein Medikament (Concerta® 54 mg Retard) vergaß, litt er an stundenlang anhaltenden und schmerzhaften Erektionen (Priapismus). Mit der nächsten Dosis klangen die Beschwerden wieder ab.1 Ähnliche Erfahrungen machte ein 15-Jähriger, der ebenfalls Concerta® 36 mg Retard einnahm, aber nur an sechs Tagen der Woche. An den behandlungsfreien Sonntagen hatte er mehrfache bis zu 15 Minuten anhaltende Erektionen, traute sich aber nicht dies mitzuteilen. Erst als die morgendliche Dosis auf 54 mg erhöht wurde und daraufhin die Dauer der schmerzhaften Erektionen in der sonntäglichen Medikamentenpause zunahmen, vertraute er das Problem seiner Mutter an. Als dann Methylphenidat langsam abgesetzt („ausgeschlichen”) wurde, verschwanden die schmerzhaften Dauererektionen.2

In den Gebrauchsinformationen von Methylphenidat-Präparaten, einschließlich der hoch dosierten Präparate wie Concerta®, die den Wirkstoff nach und nach freigeben, wird das hier beschriebene Entzugsphänomen nicht erwähnt. Es scheint bislang nur zwei Berichte zu geben. Das Problem wird aber wahrscheinlich unterschätzt: Die betroffenen Jungen sind in einem Alter, in dem es schwer fällt, über anhaltende Erektionen zu sprechen. Ärzte und Eltern sollten daher gezielt nach den ungewöhnlichen Folgen fragen, vor allem wenn Einnahmepausen am Wochenende oder in den Ferien vorgesehen sind.3

In den vergangenen Jahren sind die Wirkstoffmengen pro Tablette immer höher geschraubt worden. Und dies, obwohl noch nicht einmal die Langzeitfolgen der bislang üblichen niedrigeren Dosierungen hinreichend erfasst sind. Das Beispiel macht deutlich, dass sich mit höheren Dosierungen das Spektrum der Nebenwirkungen erweitern kann.

  1. Can. Adv. React. Newsl. 2006; 16 (3): 3
  2. Schwartz, R., Rushton H.G.: J. Pediatr. 2004; 144: 675-6
  3. arznei-telegramm 2006; 37: 75-6

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 05/2006 / S.10