Heikle Alternativen
Pflanzenhormone aus Soja und Rotklee
Seit klar ist, dass die Risiken der Hormontherapie von Wechseljahresbeschwerden größer sind als jahrzehntelang angenommen,1 interessieren sich Frauen besonders für „natürliche“ Alternativen. Doch Pflanzenhormone sind nicht die Lösung.
Mit suggestiven Formulierungen wie „Die Asiaten schwören drauf“2 und vagen Versprechungen „ … eine einzigartige, umfangreiche Kombination aus hochaktiven unterschiedlichen Isoflavonen … lassen Sie die zweite Lebenshälfte mit Schwung und Elan starten“3 werden vor allem sogenannte Pflanzenhormone (Phytoöstrogene) bejubelt, beispielsweise die Isoflavone, die in Sojabohnen und Rotklee vorkommen. Dass die Hormone von Pflanzen stammen, verleiht ihnen – auch wenn sie als Kapsel oder Tablette in zubereiteter Form geschluckt werden – den Anschein von Sicherheit und guter Verträglichkeit. Aber so einfach ist das nicht.
Keine Wirkung ohne Nebenwirkung
Viele Frauen bedenken eines nicht: Wenn die Pflanzenhormone tatsächlich wie Östrogene wirken, können sie auch genauso risikobehaftet sein wie die vom Arzt verschriebenen „chemischen“ Hormonpräparate.
Nutzen und Risiken von Phytoöstrogenen zu bewerten, ist kompliziert. Sie werden als Nahrungsergänzungsmittel oder ergänzende diätetische Lebensmittel verkauft. Sie sind jedenfalls keine Arzneimittel, die auf der Grundlage zuverlässiger Studien behördlich zugelassen werden. Eine aussagekräftige Datenbasis fehlt daher, und viele kleine Studien unterschiedlicher Qualität müssen bewertet werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eine solche Bewertung der Isoflavone vorgenommen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt:4
„Die behaupteten günstigen Wirkungen isolierter Isoflavone bei Wechseljahresbeschwerden sowie auch etwaige sonstige gesundheitlich vorteilhafte Wirkungen auf Herz, Knochen und Brust müssen zum gegenwärtigen Zeitpunkt als wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert angesehen werden.“ Und speziell für die anvisierte Zielgruppe, Frauen in den Wechseljahren, „kommt das BfR zu dem Schluss, dass die Sicherheit von Produkten mit isolierten Isoflavonen auf Soja- und Rotkleebasis, die als Nahrungsergänzungsmittel oder ergänzende bilanzierte Diäten angeboten werden, nicht ausreichend belegt ist.“ (Hervorhebungen durch GPSP) Die wesentlichen Argumente:
Nutzen offen
Isoflavone in Form von Kapseln oder Tabletten oder als Lebensmittel konsumiert, haben keinen überzeugenden Nutzen bei typischen Wechseljahresbeschwerden wie Hitzewallungen.5 Die Symptome bessern sich bei Frauen, die Isoflavone aus Soja oder Rotklee einnahmen, nicht deutlich stärker als bei Frauen, die Scheinpräparate (Plazebos) schluckten. Bei der Isoflavon-Gruppe und der Plazebo-Gruppe halbierten sich die Beschwerden in etwa, was für einen Plazeboeffekt der Pflanzenpräparate spricht.
Die angeblich geringer ausgeprägten Wechseljahresbeschwerden bei Japanerinnen sollen auf sojareicher Ernährung beruhen. Diese Behauptung ist nicht belegt: Zwar ist der Gehalt an Isoflavonoiden im Blut bei Asiaten mit sojareicher Ernährung zehnmal so hoch wie bei Europäern, aber Studien zu den Auswirkungen einer sojareichen Ernährung sind widersprüchlich ausgegangen. Im Übrigen ernähren sich Asiatinnen in vielerlei Hinsicht anders – und das ein Leben lang.
Bisher ist auch nicht bekannt, welche Folgen es haben kann, wenn Europäerinnen im mittleren Lebensalter plötzlich viel Soja bzw. Isoflavone konsumieren. Immerhin nehmen manche durch Sojapräparate das 20 bis 40fache der üblichen Isoflavonmenge auf.4
Nebenwirkungen schlecht erfasst
Einerseits wurden den Behörden in den letzten Jahren unerwünschte Wirkungen wie Magen-Darm-Probleme oder allergische Reaktionen gemeldet, anderseits ist dies wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Da die Präparate ohne Rezept erhältlich sind, werden Nebenwirkungen nicht oder nur sporadisch von Ärzten erfasst und gemeldet.
Hormone haben Wirkungen
Hormone wirken im Körper, indem sie sich an bestimmten Stellen ankoppeln, an so genannte Hormonrezeptoren. Grundsätzlich gilt: Alle Stoffe, die an Hormonrezeptoren binden, können in körpereigene Regulationsvorgänge eingreifen – egal, ob es menschliche Hormone sind oder die pflanzlichen Phytohormone. Zum Beispiel können Isoflavone die Funktion der Schilddrüse ungünstig beeinflussen und das (Krebs)Zellwachstum in der Brustdrüse und der Gebärmutterschleimhaut anregen. Studien an Tieren und Zellen ergaben, dass bestimmte Isoflavone (Genistein) in geringer Dosierung das Tumorwachstum fördern und in höherer Dosierung hemmen können. Dass Phytohormone in Abhängigkeit von der Konzentration unterschiedlich wirken, hat kürzlich eine Untersuchung bei Nutztieren, die heutzutage zur besseren Fleischausbeute mit eiweißreichem Soja gefüttert werden, erneut unterstrichen. Muskelzellen von Schweinen werden in ihren Regulations- und Teilungsprozessen beeinflusst.6 – Um so wichtiger scheint eine durch Studien gesicherte Dosierung von Phytohormonen.
Darüber hinaus zeigen tierexperimentelle Studien, dass das Brustkrebsmedikament Tamoxifen an Wirksamkeit verliert, wenn gleichzeitig Phytohormone verwendet werden.
Allergien
Vor allem Menschen mit einer Birkenpollenallergie können auf Soja allergisch reagieren. Die Reaktionen reichen von Juckreiz, geschwollener Mundschleimhaut bis zu Atemstörungen.
Ein Hauptproblem von Isoflavonpräparaten ist, dass es keine ausreichenden Langzeitstudien zu den Risiken dieser Phytohormone gibt.7 Dazu sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung: „Vor diesem Hintergrund und wegen der nicht ausreichend belegten Wirksamkeit ist aus Sicht des BfR eine unkritische Produktwerbung wegen der damit verbundenen möglichen Irreführung des Verbrauchers lebensmittelrechtlich problematisch.“ Das ist Behördendeutsch. Unserer Ansicht nach muss es heißen: Präparate, die hormonell wirken können, müssen wie Arzneimittel geprüft sein. Haben sie andererseits keine Hormonwirkung, darf die Werbung auch nicht so tun als ob.
Stand: 1. April 2008 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2008 / S.13