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© Devorce

Gelée Royale

Mit Gelée Royale füttern Arbeitsbienen diejenigen Bienenlarven, aus denen Königinnen werden sollen. Kein Wunder, dass sich das „Königliche Gelee“ gut vermarkten lässt. Aber was für Bienen eine Spezialnahrung ist, muss für Menschen nicht unbedingt sinnvoll sein. Was also haben Anwender wirklich davon?

Gelée Royale ist ein weißlicher Saft, der bei Bienen eine besondere Rolle spielt. Denn nur das Futter entscheidet darüber, ob aus einer Larve eine normale Arbeiterin oder eine Königin wird. Besteht die Nahrung ausschließlich aus Gelée Royale, entwickelt sich eine Larve zur Königin. Grund dafür sind verschiedene Eiweiße, die neben Zucker und Fettsäuren die wichtigsten Bestandteile des Königinnenfutters bilden. Diese Eiweiße wirken sozusagen als „genetische Schalter“.

Das im Handel angebotene Gelée Royale ist üblicherweise der Futtersaft, den eine vier bis fünf Tage alte Königinnenlarve erhält. Er ist ein Drüsensekret aus dem Mundraum („Kopfdrüsen“) der Bienen und hat etwa die Konsistenz von Naturjoghurt.

Gelée Royale ist im Unterschied zu Honig und Pollen kein traditionell von Menschen verwendetes Bienenprodukt, denn die Bienen produzieren es nicht auf Vorrat, sondern nur wenn sie eine neue Königin heranziehen. Die medizinische Anwendung stammt nicht aus der traditionellen Naturheilkunde, sondern kam in den 1950er Jahren aus Frankreich. Vermutet wurde damals eine hormonelle Wirkung, da Gelée Royale aus einer unfruchtbaren Arbeiterinnenlarve eine fruchtbare Königin macht. Heute weiß man, dass das Sekret keine relevanten Hormonmengen enthält.

Mit den vorhandenen Ergebnissen von Tierversuchen und den wenigen Studien mit Menschen ist eine Therapie von Erkrankungen und Beschwerden wissenschaftlich nicht zu begründen – beispielsweise bei Heuschnupfen, Wechseljahresbeschwerden oder Wundheilungsstörungen („offene Beine“) bei Diabetes mellitus.

Am häufigsten wird das Bienensekret als Nahrungsergänzung (pur aus dem Glas oder gefriergetrocknet) oder zum Einreiben (beispielsweise als Zusatz in Kosmetika) angeboten. Manche Heilpraktiker spritzen es sogar.

Die Verwendung orientiert sich am Analogie-Prinzip: Was bei Bienen funktioniert, soll auch bei Menschen funktionieren. Während eine normale Arbeitsbiene nur wenige Monate alt wird, leben Königinnen bis zu vier Jahre und legen täglich bis zu 2.000 Eier. Dementsprechend werden der Königinnennahrung Wirkungen wie Stärke, Fruchtbarkeit, Kraft und Ausdauer zugeschrieben. Die Naturheilkunde sieht einen „guten Bezug zum weiblichen Organismus“2 und preist Gelée Royale – wie auch Bienenpollen – als allgemeines Stärkungsmittel an.

Wir sehen keinen medizinischen Grund, die Nahrung mit Gelée Royale zu „ergänzen“. Der Vitamingehalt ist relativ gering und Vitaminmangel hierzulande nur selten ein Problem. Gelée Royale als Mittel gegen vorzeitiges Altern oder zur „allgemeinen Stärkung“ gehört in das Reich der Märchen. Anbieter, die ihr Produkt mit dem Slogan „stärkt das Immunsystem“ bewerben, tun dies ohne wissenschaftlichen Beleg. Eine Expertenkommission der europäischen Kontrollbehörde EFSA hat solche Behauptungen als unzulässig erklärt, weil sie zu unspezifisch seien und wissenschaftliche Nachweise fehlen.3,4 Auch für Aussagen, die positive Assoziationen erwecken sollen, wie „Vitalität“, „natürliche Widerstandskraft“ oder „wirkt auf die Drüsenfunktion“, sehen die EFSA-Experten keine wissenschaftliche Begründung.

Nicht jeder verträgt Gelée Royale. Die enthaltenen Eiweiße können – wie andere körperfremde Eiweiße auch – allergische Reaktionen auslösen. Aus Australien sind sogar Todesfälle bekannt, die möglicherweise auf das Königinnenfutter zurückzuführen sind.5 Ein Eiweiß, das Allergien gegen Bienengift verursachen kann, kommt auch in Gelée Royale vor. Und beim äußerlichen Gebrauch, z.B. in Kosmetika, soll es bei zwei von zehn Personen zu Hautreizungen kommen (Kontaktdermatitis).1

Für Bienen, die eine neue Königin heranzüchten, ist Gelée Royale essenziell. Ein Nutzen für Menschen ist nicht belegt, an Risiken muss gedacht werden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2013 / S.04