Lavendel: Gar nicht so dufte
Lavendel wurde zur „Arzneipflanze des Jahres 2020“ gekürt. Dass nun verschiedene Anbieter von Lavendelprodukten aus den blumigen Anpreisungen Kapital schlagen, verwundert nicht. Aber dass eine gesetzliche Krankenkasse in einer Pressemitteilung die Wirksamkeit von Lavendel bei allen möglichen Krankheiten anpreist,1 ist nicht nachvollziehbar.
- Am besten erforscht? Steile These – denn die wissenschaftliche Evidenz ist ziemlich dünn.
- Empfehlung durch Studienkreis? Ein Gremium von zweifelhafter Kompetenz.
- Antidepressiv? Der Nutzen ist fraglich.
- Lavendel neben dem Kopfkissen? Besser schlafen? Nur wo bleibt der Beweis?
- Bei Wunden? Die EU warnt vor Lavendelbädern bei offenen Wunden.2
- Gegen Kopfschmerz? Wo ist die Evidenz?3
Die KKH antwortete auf unsere Anfrage nach Belegen für ihre Behauptungen zum Nutzen von Lavendel, dass sie „Erfahrungswerte“ vermitteln möchte, „ohne den Anspruch, die Aussagen mit Evidenzbeweisen zu unterlegen.“ 4 Sich auf die Heilpflanze des Jahres zu berufen, ist auch wenig hilfreich. Wer genau diesen „Titel“ verleiht, bleibt unklar. Zwar wird der Eindruck erweckt, die Universität Würzburg sei beteiligt.5 Das trifft aber nicht mehr zu.6 Einzig für die Anwendung von Lavendel für „Unruhezustände bei ängstlicher Verstimmung“ gibt es ein zugelassenes Medikament, aber auch hier ist der Nutzen fraglich.7,8,9 Und Nebenwirkungen? Die sind allerdings ein Problem: Allergische Reaktionen und Magen-Darm-Beschwerden sind bei Einnahme von Lavendelkapseln häufig.10 Außerdem hat das Präparat hormonähnliche Wirkungen. Frauen mit Brustkrebs sollten es meiden.8,9 Quintessenz: Lavendel riecht gut, ist aber nicht für alles gut.
Stand: 1. Juli 2020 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2020 / S.28