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© baranozdemir/iStockphoto.com

„Vorsorge“ mit Computer-Tomographie?

Irreführende Angebote im Netz

Für die Früherkennung diverser Erkrankungen kursieren zahlreiche Angebote im Internet. Eine Analyse des Bundesamts für Strahlenschutz zeigt: Viele der angebotenen Untersuchungen mittels Computer-Tomographie ohne konkreten Krankheitsverdacht sind illegal. Und über Nutzen und Schaden wird unzureichend informiert.

„Früh erkannt ist immer besser“ – so lautet ein weitverbreiteter Mythos. Allerdings ist auch schon seit Langem bekannt, dass Früherkennung nicht immer nützt und in manchen Fällen sogar schadet. Deshalb sind ausgewogene und neutrale Informationen zu Vor- und Nachteilen der jeweiligen Angebote wichtig, damit man tatsächlich informierte Entscheidungen für oder gegen die jeweilige Untersuchung treffen kann.

Genau daran hapert es aber häufig. Besonders krasse Fälle hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im September 2019 publik gemacht.1 Dabei ging es um Arztpraxen, medizinische Zentren und Kliniken, die auf ihren Internetseiten Früherkennungsuntersuchungen mittels Computer-Tomographie anpreisen.

Strahlenbelastung durch CT

Bei der Computer-Tomographie (CT) handelt es sich um eine Form der Röntgenuntersuchung: Dazu wird die zu untersuchende Person in eine Röhre geschoben, um die eine Röntgenquelle kreist. Dadurch ist es möglich, aus verschiedenen Richtungen Röntgenbilder aufzunehmen, aus denen sich dann dreidimensionale Schnittbilder zusammensetzen lassen. Bei einer CT-Untersuchung entsteht deshalb auch immer eine Strahlenbelastung, die deutlich höher ist als bei einer gewöhnlichen Röntgenaufnahme.

Nicht zugelassen

Aus diesem Grund müssen CT-Untersuchungen zur Früherkennung durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit zugelassen werden. Das gilt nicht nur für die offiziellen Früherkennungsprogramme, die durch die gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden, sondern auch für Selbstzahler-Leistungen (individuelle Gesundheitsleistungen, IGeL).

Als Grundlage für die Genehmigung erstellt das BfS Gutachten, bei dem Nutzen und Risiken der jeweiligen Untersuchung abgewogen werden. Bislang gibt es eine solche Genehmigung nur für das Mammografie-Screening als Früherkennungsuntersuchung auf Brustkrebs. Für das Niedrigdosis-CT zur Früherkennung von Lungenkrebs wird ein Gutachten gerade erarbeitet.

Schlicht illegal

Auf den untersuchten Webseiten hat das BfS in seiner Analyse jedoch zahlreiche nicht geneh­migte CT-Untersuchungsverfahren ent­deckt, die als Früherkennung für Selbstzahler angeboten werden.2 Die verstoßen gegen die Strahlenschutzverordnung, sind also illegal. Bloß auf einer von 150 analysierten Seiten fand sich im Kleingedruckten ein Hinweis, dass die angebotene Untersuchung nur bei einem konkreten Verdacht zulässig ist. Das ist dann aber keine Früherkennung, sondern eine diagnostische Abklärung, die nicht genehmigungspflichtig ist. Alle anderen Angebote verschwiegen, dass eine Genehmigung nicht vorliegt.

Unzureichende Aufklärung

Für drei konkrete Angebote hat das BfS außerdem geprüft, ob die Internetseiten den Zielgruppen informierte Entscheidungen ermöglichen. Konkret ging es dabei um CT-Früherkennung auf Lungenkrebs, Darmkrebs und koronare Herzkrankheit, die einen Risikofaktor für Herzinfarkte darstellt. Das ernüchternde Ergebnis: Auf den meisten Seiten gab es keine Angaben zum nachgewiesenen Nutzen, auch fehlten Hinweise zu den Risiken von Fehlalarmen, übersehenen Auffälligkeiten sowie Überdiagnosen. Als Überdiagnosen gelten Befunde, die bei einer Früherkennung entdeckt werden, aber bei den Betroffenen zu Lebzeiten keine Beschwerden verursacht hätten.

Wie groß ist mein Risiko?

Für informierte Entscheidungen für oder gegen Früherkennung sind auch Angaben notwendig, mit denen sich das eigene Risiko abschätzen lässt, überhaupt die betreffende Erkrankung zu bekommen. Denn wenn das Risiko nur sehr gering ist, werden Fehlalarme wahrscheinlicher. Diese Angaben fehlten auf zwei Dritteln der Internetseiten ganz und bei dem Rest unterschieden sich die Zahlenangaben von Seite zu Seite stark. Oft wichen zum Beispiel die Altersangaben für Risikogruppen von denen ab, die bei herkömmlichen Früherkennungsuntersuchungen empfohlen werden.

Strahlenlast verharmlost

Nur selten fanden sich angemessene Informationen zur Strahlenbelastung. Oft speisten die Anbieter die Interessierten mit Floskeln ab, etwa mit dem Hinweis, dass mit den neueren Geräten weniger Belastung als früher entsteht. Konkrete Angaben zur Röntgendosis gab es eher selten. Vergleiche mit natürlicher Röntgenstrahlung, etwa auf Flugreisen, waren manchmal grob falsch.

Was auf der Mehrzahl der Seiten ebenfalls verschwiegen wurde: Wenn Auffälligkeiten im CT gefunden werden, können weitere Untersuchungen notwendig werden, etwa eine Darmspiegelung bei einem auffälligen Darmbefund.

„Vorsorge“ oder Früherkennung?

Was bei der Analyse außerdem auffiel: Viele Webseiten werben mit „Vorsorge“. Das wäre aber nur dann korrekt, wenn sich tatsächlich verhindern ließe, dass überhaupt eine Erkrankung entsteht. In den allermeisten Fällen handelt es sich jedoch um „Früherkennung“, mit der sich das Frühstadium einer bestehenden Erkrankung aufspüren lässt. Diese Unterscheidung ist vielen Menschen – und sogar Fachleuten – häufig nicht bewusst.

Was folgt?

Angesichts der vielfältigen Verstöße gegen die Strahlenschutzverordnung und des Potenzials für erheblichen Schaden bei Verbraucherinnen und Verbrauchern stellt sich natürlich die Frage nach der Kontrolle der Anbieter. Wir haben beim BfS nachgefragt:3

Zuständig für die Aufsicht im Strahlenschutz sind die Bundesländer und damit jeweils verschiedene Ministerien und ihnen untergeordnete Behörden. Das BfS hat nach eigener Auskunft seine Erkenntnisse an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit weitergeleitet und empfohlen, dass das Thema in einer der nächsten Sitzungen des „Länderausschuss Strahlenschutz“ behandelt werden soll. Dieses Gremium tagt regelmäßig, dabei tauschen sich Vertreter des Bundesministeriums und der Landesbehörden zu fachlichen und regulatorischen Aspekten des Strahlenschutzes aus.

Ob sich daraus Konsequenzen für die Anbieter ergeben werden, ist unserer Einschätzung nach jedoch offen. Angesichts der Risiken durch Fehldiagnosen und der unnötigen Strahlenbelastung ein unbefriedigender Zustand.

IGeL
GPSP   6/2011, S. 3

Früherkennung
GPSP   3/2017, S. 19

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 01/2020 / S.12