Scheinmedizinischer Unfug
Was Sie schon immer wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten
Edzard Ernst holt ganz weit aus: In seinem neuen Buch beleuchtet er alle Aspekte der sogenannten Alternativmedizin und zwar mit streng wissenschaftlichem Blick. Die Fakten werden dabei mit einer Prise feinsinnigen Humors präsentiert.
Das neue Buch von Edzard Ernst beginnt mit einer entschiedenen Einschränkung: Es richte sich nicht an die wahrhaft Gläubigen von SchmU, schreibt er. Diese seien emotional und intellektuell nicht in der Lage, rational an derartige Sachverhalte heranzugehen und ihre Ansichten zu ändern. Doch was ist SchmU überhaupt? Die Abkürzung steht für „Scheinmedizinischer Unfug“.
Mit SchmU hat sich Edzard Ernst mehr als 25 Jahre intensiv auseinandergesetzt. Er war bis 2011 Professor für Alternativmedizin der University Exeter in England, der erste Lehrstuhl dieser Art. Als junger Arzt hatte er selbst homöopathisch behandelt, später erforschte er die Homöopathie, wobei er an sie die Regeln und Ansprüche der evidenzbasierten Medizin stellte, was ihm bis heute viel Kritik einbringt. Das SchmU-Buch ist somit in gewisser Weise die Quintessenz seiner langjährigen Forschung. In sieben Kapiteln wird das Thema beleuchtet, eingestreut sind immer wieder biografische Elemente aus der eigenen Forschungsarbeit.
Dieses Buch habe er für alle diejenigen geschrieben, die ein ernsthaftes Interesse an SchmU hätten und dennoch dazu bereit seien, sich mit der Beweislage auseinanderzusetzen. Zwar enthalten die nachfolgenden Seiten eine gehörige Menge Ironie, zugleich wagt Edzard Ernst den Versuch, „zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Medizin im Allgemeinen und mit SchmU im Besonderen anzuregen“.
Verständlich wie unterhaltsam schreibt Ernst über die „Grundlagen evidenzbasierter Medizin“, „verbreitete Probleme mit SchmU“, die „Maschen des SchmU-Geschäfts“ und endet mit „Lustige Seite der Medaille“. So geht es etwa im Kapitel „Panikmache“ um die Strategie der SchmU-Vertreter, den Menschen Angst einzujagen, indem sie ihnen weismachen, sie litten unter einer Krankheit. Ein Chiropraktiker werde erklären, man leide unter einer Subluxation der Wirbelsäule, der Naturheilkundler werde sagen, der Köper sei voller Giftstoffe und ein Homöopath etwa würde warnen, dass die Lebenskraft schwindet, schreibt Ernst: „Alle diese Diagnosen haben eines gemeinsam: Sie existieren nicht.“ Dennoch würden die Anbieter und Anbieterinnen von SchmU darauf drängen, dass diese behandelt werden müssen, und dass sie selbst „– wie durch ein Wunder – genau die Therapieform anbieten, die dazu nötig ist“.
Das SchmU-Buch soll kein Ratgeber sein, befindet der streitbare Autor, doch dank zahlreicher integrierter Info-Boxen kann sich auch ein eiliger Leser allerhand Wissenswertes aus den Seiten ziehen. So listet etwa Box 7 „Ein paar spannende Fakten zum Placebo-Effekt“ auf, Box 11 informiert über „Kultisches Festhalten von SchmU-Anhängern an ihren Gurus“.
Bei all den Fakten, die vermittelt werden, ist es Ernst sehr wichtig zu erklären, warum er diesen literarischen SchmU-Versuch überhaupt unternimmt. Mehrfach kommt er auf diesen Punkt zurück. Er schreibe über die Risiken von SchmU weder, „um Hexenjagd, noch Panikmache zu betreiben“, vielmehr sei es seine moralische wie ethische Verantwortung. „Ich fühle mich dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit zu informieren, dass SchmU nicht immer so harmlos ist, wie er für gewöhnlich angepriesen wird.“
Am Ende der Lektüre hat man nicht nur gelernt, was ein Panazee ist (S. 56), der Autor hält Leserin und Leser auch für soweit vorbereitet, selbst ins SchmU-Geschäft einzusteigen. In zehn Schritten kann hier ein „ansprechender SchmU“ entwickelt und eine „faszinierende Geschichte“ dazu gefunden werden.
Stand: 30. Oktober 2019 – Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2019 / S.10