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© Clerkenwell/ iStockphoto.com

Asthma: Ein Spray für alle?

Neue Empfehlungen für die Asthma-Therapie

Die neuen Behandlungsempfehlungen für Asthma bei Erwachsenen1 enthalten eine alternative Strategie, die das Leben für viele Menschen einfacher machen soll: nur noch ein Spray statt zwei. Einige könnten so auf regelmäßige Anwendung verzichten und bloß bei Bedarf inhalieren. Wie gut ist dieses Vorgehen untersucht und was ist dabei zu beachten?

In Deutschland haben etwa fünf Prozent aller Erwachsenen Asthma. Bei den Betroffenen sind die Atemwege kurzzeitig oder auch dauerhaft so verengt, dass sie schlecht Luft bekommen. Typische Beschwerden sind Atemnot, Kurzatmigkeit bei Belastung, geräuschvolle Atmung (Giemen), Engegefühl in der Brust und Husten oder Hustenreiz. Diese Symptome treten meist anfallartig auf.

Ziel der Behandlung ist es, die Häufigkeit und Stärke der Beschwerden so gering wie möglich zu halten. Neben körperlicher Bewegung werden dafür verschiedene Medikamente eingesetzt (siehe Kasten).2

Therapie in Schritten

Bei Asthma werden Medikamente in der Regel zunächst als Inhalationssprays eingesetzt. Die Behandlung folgt einem Stufenschema: Sind die Beschwerden nicht ausreichend unter Kon­trolle, werden die Medikamente gemäß der nächsten Stufe angepasst. Und umgekehrt: Ist die Erkrankung über einen längeren Zeitraum stabil, ist es auch möglich, die Medikamente wieder zu reduzieren.

Welche Medikamente für Erwachsene in welcher Stufe empfohlen werden, hat sich in den letzten Jahren geändert. Das betrifft vor allem die ersten drei der insgesamt fünf Behandlungsstufen, auf die wir uns in diesem Beitrag konzentrieren (siehe Abbildung). Diese geänderten Empfehlungen finden sich sowohl in der internationalen Asthma-Leitlinie3 als auch in der aktuellen deutschen Nationalen Versorgungsleitlinie Asthma.4

Bisherige Empfehlungen

In der untersten Stufe 1 wurde bisher lediglich ein schnell wirkendes bronchienerweiterndes Spray empfohlen. Reichte das nicht aus, resultierte Stufe 2, dann sollten die Betroffenen zusätzlich regelmäßig ein niedrig dosiertes Cortison-Spray inhalieren, also zwei getrennte Inhalationssprays: eins als Bedarfsspray, eins als Dauermedikament mit regelmäßiger Anwendung.

Wenn auch diese Behandlung die Beschwerden nicht ausreichend linderte, wurde als Stufe 3 zusätzlich zum Bedarfsspray – in der Regel als Dauermedikament – ein Kombi-Spray mit einem langwirkenden bronchienerweiternden Mittel und Cortison verschrieben. Auch hier brauchte es also zwei verschiedene Sprays.

Probleme im Alltag

Betroffene mussten also bislang die verschiedenen Sprays zuverlässig auseinanderhalten können, um bei einem Anfall schnell das richtige Mittel anzuwenden. Außerdem ein Problem: Der Nutzen der Dauermedikamente ist nicht so rasch spürbar wie der des Bedarfsmedikaments. Wenn Menschen mit Asthma das Dauermedikament vergessen oder vernachlässigen, können öfter Symptome wie Atemnot auftreten, und das Bedarfsspray wird zu häufig angewendet. Das wiederum kann zu Nebenwirkungen wie Herzrasen, Zittern oder Unruhe führen.

Alternative neue Empfehlungen

Um diese Probleme zu umgehen, wurden in den neuen Leitlinien die bisherigen und weiterhin gültigen Empfehlungen um alternative Vorschläge für bestimmte Gruppen ergänzt. Die alternativen Vorschläge beruhen im Wesentlichen darauf, dass der bronchienerweiternde Wirkstoff Formoterol zwar lange wirkt, aber die Wirkung auch schnell eintritt. In verschiedenen Kombi-Sprays ist er zusammen mit Cortison enthalten. Dadurch sind solche Sprays prinzipiell sowohl für die bedarfsweise Anwendung als auch für die Dauerbehandlung geeignet. Nach den alternativen Empfehlungen kann dieses Kombi-Spray mit Formoterol jetzt in den Stufen 1 und 2 bei Bedarf eingesetzt werden (siehe Abbildung). In Stufe 2 ist nach dieser Alternativ­empfehlung keine regelmäßige vorbeugende Anwendung mehr vorgesehen. In Stufe 3 kann das gleiche Spray mit Formoterol und Cortison sowohl bei Bedarf als auch regelmäßig vorbeugend angewendet werden.5

Was das für Patienten bedeutet

Die neue alternative Strategie führt im Vergleich zum bisherigen Vorgehen zu einigen Veränderungen: In Stufe 1 inhalieren Patientinnen und Patienten mit dem Kombi-Spray jetzt immer mal wieder auch Cortison. Auf Stufe 2 müssen Patientinnen und Patienten nur noch ein Spray verwenden statt vorher zwei, was helfen kann, Verwechslungen zu vermeiden. Gleichzeitig bekommen sie auf Dauer weniger Cortison, weil sie ihr Kombi-Spray nur bei Bedarf anwenden. Patienten in Stufe 3 erhalten jetzt gegebenenfalls mehr Cortison als mit der bisherigen Therapieempfehlung, weil auch die Bedarfsmedikation Cortison enthält.

Was Studien sagen

Wie gut die alternativen Empfehlungen verglichen mit dem bisherigem Vorgehen helfen, hat sich unsere Mutterzeitschrift, das arznei-telegramm®, anhand von Studien für die verschiedenen Stufen angeschaut.6

Danach bleibt das Asthma in Stufe 1 besser unter Kontrolle und verschlechtert sich seltener akut. Auf Stufe 2 kommt es mit der alternativen Empfehlung ähnlich oft zu akuten Verschlechterungen, allerdings lassen sich damit die Symptome schlechter kontrollieren.

Auf Stufe 3 schützt die alternative Strategie zwar besser vor schwerwiegender Atemnot oder anderen Verschlechterungen der Symptome, doch müssen die Betroffenen dadurch nicht seltener ins Krankenhaus. Keine Vorteile zeigten sich in Bezug auf Asthmasymptome, Lebensqualität und Lungenfunktion.6

Für wen die Alternativstrategie?

Ob die alternative Strategie besser ist, muss individuell geprüft werden:

In Stufe 1 nützt sie vermutlich denjenigen nicht, die mit der bisherigen Bedarfstherapie gut zurechtgekommen sind. Denn diese Patientengruppe kam in den Studien zum Nutzen der neuen Strategie kaum vor.6 Die deutsche Leitlinie bevorzugt die alternative Strategie deshalb vor allem für Patientinnen und Patienten, bei denen die bisherige Bedarfsbehandlung nicht ausreicht und die vermutlich auch Schwierigkeiten hätten, regelmäßig an ein separates Cortison-Spray zu denken (also mit Stufe 2 nach dem bisherigen Schema nicht zurechtkämen).4

In Stufe 2 kommt die alternative Empfehlung vor allem für diejenigen infrage, die nicht regelmäßig inhalieren wollen und dafür in Kauf nehmen, dass etwas häufiger Beschwerden auftreten.4,6 Beim Einsatz des Kombi-Sprays bei Bedarf sollten Patientinnen und Patienten jedoch wissen, wie häufig sie es höchstens nutzen sollten, damit es keine Nebenwirkungen durch Überdosierung gibt.4

Das arznei-telegramm® sieht auf Stufe 3 einen Stellenwert für das alternative Vorgehen daher vor allem für Patientinnen und Patienten, die bei dem bisherigen Vorgehen häufiger Symptome haben oder bei denen es leichter zu Verschlechterungen kommt. Das gilt allerdings nur, wenn nicht regelmäßig höhere Dosierungen eines Cortison-Sprays benötigt werden.7

Schwieriger Zulassungsstatus

Allerdings ist das Kombi-Spray mit Formoterol in Deutschland derzeit nicht für die alleinige Bedarfstherapie in den Stufen 1 und 2 zugelassen, sondern nur für die Therapie in Stufe 3. In Stufe 1 und 2 würde der Einsatz deshalb außerhalb der Zulassung erfolgen (off-label-use), was aber durch die Ergebnisse von Studien begründet und rechtlich zulässig möglich wäre. Vielleicht ändert sich der Status demnächst, da zumindest ein Hersteller eine entsprechende Erweiterung der Zulassung anstrebt.6

 

Behandlung von Asthma bei Erwachsenen (mit Sprays)

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2020 / S.04