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Hilfe gegen Migräne-Attacken

Nicht nur Medikamente können nützen

Dass einem ab und zu mal der Schädel brummt, kennt fast jeder. Doch wer von Migräne betroffen ist, weiß: Gegen die Attacken, die bei diesem Leiden immer wieder auftreten können, ist normales Kopfweh nichts. Während eines Anfalls quälen heftige, meist einseitige pulsierende oder stechende Schmerzen im Bereich der Stirn, der Augen und der Schläfen, die sich zum Teil so anfühlen, als ob der Kopf gleich platzt. Meist kommen noch extreme Lärm-, Geruchs- und Lichtempfindlichkeit sowie Übelkeit bis hin zum Erbrechen hinzu, so dass oft kein klarer Gedanke mehr möglich ist.

Bei manchen Menschen sind die Migräneanfälle nach einigen Stunden vorbei, andere hält eine Attacke bis zu drei Tage im Griff. Migräne kann daher privat und beruflich zur schweren Belastung werden. Im schlimmsten Fall kann sie die Karriere, die Beziehung und Zukunftspläne vernichten.

Hilfe möglich

Doch zum Glück gibt es Abhilfe. Zwar lässt sich Migräne nicht heilen. Betroffene können aber einiges tun, um akute Attacken zu lindern und ihre Häufigkeit und Schwere deutlich zu verringern. Dabei spielen auch Medikamente eine wichtige Rolle.1 Entscheidend ist allerdings zu wissen, wie man welches Mittel einsetzt – und wann. Sonst können nämlich selbst starke Präparate wirkungslos bleiben. Oder aber die Schmerzlinderung wird zum Bumerang: Wer zu häufig zu Tabletten oder Zäpfchen greift, riskiert, dass er dadurch Schaden nimmt. Daraus können sich nämlich Dauerkopfschmerzen beziehungsweise eine chronische Migräne entwickeln. Ärzte sprechen dann von einem medikamenteninduzierten Kopfschmerz (Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch). In diesem Fall hilft nur noch: die Schmerzmittel für mehrere Tage, Wochen oder Monate komplett absetzen.

Die Trigger finden

Tatsächlich besteht eine sinnvolle Migränebehandlung nicht nur darin, akute Anfälle mit Medikamenten zu lindern. Mindestens ebenso wichtig ist, starken Migräneattacken gezielt vorzubeugen. Entscheidend dafür ist es, zunächst die maßgeblichen Auslöser (Trigger) zu finden. Das geht am besten mit einem Kopfschmerz-Tagebuch. Darin schreibt man auf, wann der Anfall aufgetreten ist, wie lange er dauerte, wie stark die Schmerzen waren und vor allem, was davor passiert ist. Gab es Ärger im Job oder Streit mit dem Partner? Haben Sie schlecht oder zu wenig geschlafen? Hat die Menstruation begonnen? Meist kristallisiert sich so schnell heraus, wie man sein Leben so gestalten kann, dass es seltener zu Anfällen kommt.

Schleicht sich eines Tages doch wieder eine Attacke an, heißt es, so früh wie möglich ein Schmerzmittel einnehmen. Denn prinzipiell gilt: Je eher es eingenommen wird, desto besser wirkt es. Manchmal lässt der Anfall sich dadurch sogar noch stoppen.

Leichte Symptome

Leichte bis mittelschwere Symptome können mit Schmerzmitteln wie Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol, Ibuprofen oder Diclofenac behandelt werden. Wichtig zu wissen ist, dass die Mittel bei Migräne ausreichend hoch dosiert sein müssen. Viele Patienten machen den Fehler, zu geringe Mengen einzunehmen. Als Richtschnur für Erwachsene gelten 1.000 Milligramm ASS oder Paracetamol pro Einzeldosis. Bei Ibuprofen empfehlen sich 400 bis 600 Milligramm. Bitte achten Sie auf die Tageshöchstdosis im Beipackzettel! Geht der Migräneanfall mit Erbrechen einher, sollte das jeweilige Schmerzmittel als Zäpfchen (rektal) verwendet werden. Alternativ kann man auch bei den ersten Anzeichen einer Migräneattacke zuerst ein Mittel gegen Übelkeit wie Metoclopramid einnehmen und anschließend das Schmerzmittel.

Vorsicht Koffein!

Migränepatienten sollten Schmerzmittel meiden, die zusätzlich Koffein enthalten. Diese sind zwar wirksam, bergen aber bei häufigerem Gebrauch ein vergleichsweise hohes Risiko, die Entstehung von medikamenteninduzierten Kopfschmerzen zu fördern.

Triptane bei starken Attacken

Sind die Migräneattacken so stark, dass gängige Schmerzmittel wie ASS nicht wirken, können Ärzte ein Triptan verschreiben. Triptane sind Medikamente, die speziell für die Behandlung von Migräne auf den Markt gebracht wurden. Derzeit sind sieben dieser Wirkstoffe verfügbar, die unterschiedlich schnell oder lange wirken und auch unterschiedlich starke Nebenwirkungen haben. Unklar ist bislang, warum diese Migränemittel nur bei knapp einem Drittel aller Patienten gut wirken und die Schmerzen komplett beseitigen. Bei immerhin 70 Prozent dämpfen sie aber die Qualen. Bei etwa jedem vierten Patienten treten die Kopfschmerzen innerhalb von 24 Stunden erneut auf. Häufige Nebenwirkungen der Triptane sind zudem Übelkeit, Schwindel, Müdigkeit und Missempfindungen der Nerven wie Kribbeln, Jucken oder „Ameisenlaufen“ an den Händen und Füßen. Vor allem aber fördern Triptane die Entstehung chronischer Kopfschmerzen. Je öfter man sie einnimmt, desto größer wird das Risiko. Deshalb raten Ärzte mitunter Patienten mit häufigen Migräneattacken, bei denen andere Prophylaxe-Maßnahmen nicht ausreichen und die in ihrem Alltag massiv durch Kopfschmerzanfälle beeinträchtigt sind, zur medikamentösen Vorbeugung – am besten mit Unterstützung eines Neurologen, der in Sachen Migräne fachkundig ist.

Neue Wirkstoffe kommen

Kein Wunder also, dass Forscher und Pharmafirmen seit Jahren nach Wirkstoffen suchen, die früh und gezielt in den Krankheitsprozess eingreifen. Möglicherweise wird eine solche spezifische Therapie bald verfügbar sein: Mithilfe von Antikörpern versuchen Mediziner derzeit, ein kleines Eiweiß namens CGRP2 zu blockieren, das angeblich eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Schmerzsignalen im Bereich des Gesichtsnervs (Trigeminus) und im Gehirn spielt. Mindestens vier solcher Präparate befinden sich derzeit in der klinischen Entwicklung. Als erster Wirkstoff mit diesem Prinzip hat die US-Arzneimittelbehörde FDA kürzlich das Präparat Erenumab zugelassen.3 Ob es auch in Europa auf den Markt gebracht wird, ist noch nicht bekannt. Über die Nebenwirkungen der neuen Mittel weiß man noch wenig. Daten zur Langzeitsicherheit fehlen. Alle Antikörper-Wirkstoffe haben zudem einen Nachteil: Man kann sie nicht als Tablette einnehmen. Sie müssen gespritzt werden.

Medikamentöse Vorbeugung

Um einer Migräne vorzubeugen, setzen Ärzte bisher vor allem Betablocker wie Metoprolol, krampflösende Medikamente wie Topiramat, Antidepressiva wie Amitriptylin4 oder sogar Botulinumtoxin als Injektion ein. Eine solche Migräneprophylaxe ist allerdings nicht unproblematisch. Jedes dieser Mittel muss über mehrere Monate eingenommen werden. Alle haben zum Teil beträchtliche unerwünschte Wirkungen. Die häufigste davon ist Gewichtszunahme. Und: Keiner kann vorhersagen, welches Präparat welchem Patienten nützt. Wenn das eine nicht hilft, probiert man es mit dem nächsten.

Hilfe ohne Arzneimittel

Nachweislich wirksam und zudem nebenwirkungsfrei sind Verfahren, die bereits heute für jeden Migränekranken verfügbar sind: Schon eine mindestens 30-minütige Migräneberatung führt zu weniger Kopfschmerztagen und weniger Beeinträchtigungen im Alltag. Mit Entspannungstechniken, Verhaltenstherapie und einer Umstellung der Ernährung (Auslöser vermeiden) sowie ausreichend viel Schlaf lässt sich Migräneattacken sogar um ein Drittel bis zur Hälfte verringern. Einen guten Effekt kann auch Ausdauersport haben. Manch ein Patient, der es schafft, regelmäßig Joggen, Radfahren oder Schwimmen zu gehen, bleibt von Attacken verschont. Das ist wirklich ein gute Nachricht.

Kopfschmerz durch Schmerzmittel
GPSP 6/2016, S. 14

Botulinum­toxin
GPSP 4/2012, S. 11

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2018 / S.08