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©Jörg Schaaber

Ibuprofen

Ibuprofen ist hierzulande einer der meistverschriebenen Wirkstoffe gegen Schmerz und Entzündung. In rezeptfreien Versionen ist er sogar der meistverkaufte. Ein guter Grund, den Stoff in der GPSP-Serie „Gute alte Pillen“ unter die Lupe zu nehmen. Welche Wirkstärke ist wann nötig? Mit Lysin oder ohne Lysin? Auf Rezept oder ohne Rezept? Viele offene Fragen.

Ungewöhnlich für den deutschen Arzneimittelmarkt: Es existieren mehrere Versionen. Bis 400 mg pro Pille gibt es Ibuprofen rezeptfrei in der Apotheke. Alle höher dosierten Präparate erfordern eine ärztliche Verschreibung.

Die Zulassung ist also dosisbezogen. Beim verschreibungsfreien Medikament dürfen Jugendliche und Erwachsene höchstens 400 mg pro Einzeldosis einnehmen und täglich nicht mehr als drei Tabletten (also 1.200 mg Ibuprofen) schlucken.1 Beim verschreibungspflichtigen Medikament darf das Doppelte eingenommen werden: bis zu 2.400 mg Ibuprofen pro Tag. Die maximale Einzeldosis beträgt 800 mg.2

Dosis oder Dauer – das ist hier die Frage

Aus pharmakologischer Sicht ist die Unterscheidung einer Maximaldosis zwischen rezeptfreien und rezeptpflichtigen Präparaten wenig nachvollziehbar. Das gilt allerdings nur für die kurzzeitige Einnahme und für Menschen ohne Vorerkrankung (z.B. Magengeschwür). Viel wichtiger für das Nebenwirkungsrisiko ist nämlich die Einnahmedauer. Den folgenden Hinweis im Beipackzettel überliest man leicht: „Wenn bei Kindern und Jugendlichen die Einnahme dieses Arzneimittels für mehr als 3 Tage erforderlich ist oder wenn sich die Symptome verschlimmern, sollte ärztlicher Rat eingeholt werden. Erwachsene sollten Ibuprofen ohne ärztlichen oder zahnärztlichen Rat nicht länger als 4 Tage einnehmen.“1

Diese Warnung beruht auf der schlichten Tatsache, dass die unerwünschten Wirkungen – die durchaus lebensbedrohlich sein können – mehr von der Dauer der Einnahme als von der Dosis abhängig sind.

Ein halbes Jahrhundert

Die Geschichte des 50 Jahre alten Wirkstoffs ist schnell erzählt. Die vormals britische Firma Boots, heute in US-amerikanischer Hand, beschreibt sich selbst als Pharmagroßhändler und einen der größten Betreiber von Apothekenketten weltweit. Vor Jahrzehnten entwickelte Boots noch selbst Arzneimittel. So nahm sie in den 1960er Jahren am Wettrennen um die Entwicklung von Wirkstoffen teil, die gezielt in Entzündungsprozesse eingreifen können, die sogenannten NSAR.

Wirkung – leicht verständlich

Die Wirkweise lässt sich gut erklären: NSAR hemmen die so genannten Prostaglandine. Diese Gewebshormone fungieren als Botenstoffe und fördern Entzündungsprozesse. Sie spielen daher auch bei der Entstehung von Schmerz, Schwellung und Rötung eine wichtige Rolle. Die Dämpfung der Prostaglandin-Wirkungen durch Ibuprofen und andere NSAR verringert somit Entzündung und Schmerz. Auch eine fiebersenkende Wirkung ist belegt. Richtig dosiert ist das Ausmaß dieser Effekte bei allen NSAR in etwa gleich.

Was die Anwendung von rezeptfreiem Ibuprofen angeht, ist die Sache klar: Es wird als Schmerzmittel eingesetzt, sei es gegen Kopf- und Regelschmerzen oder bei leichten Sportverletzungen. In der Selbstmedikation geht es also um kurzfristige Beschwerden.

Lysin oder nicht?

Seit einigen Jahren wird Ibuprofen in der Selbstmedikation zusätzlich als Ibuprofen-Lysinat angeboten, ein Salz aus Ibuprofen und der Aminosäure Lysin. Solche Präparate sind etwa doppelt so teuer wie normales Ibuprofen. Der Grund für die Kombination: Im Magen ist dieses Salz besser löslich, sodass der Wirkstoff schneller vom Körper aufgenommen wird.

Während herkömmliche Ibuprofenpräparate nach ein bis zwei Stunden die maximale Konzentration im Blut erreichen, wird sie mit Ibuprofen-Lysinat bereits nach 30 bis 50 Minuten erreicht.3 Es ist aber durchaus fraglich, ob Patienten einen Unterschied bemerken, denn die Wirkung setzt schon vor Erreichen des maximalen Blutspiegels von Ibuprofen ein. Studien, die nachweisen, dass es durch Lysin tatsächlich zu einer rascheren Verringerung der Schmerzen kommt, fehlen.

Außerdem wird der Vorteil des schnelleren Anflutens im Körper mit einem früheren Rückgang der Konzentrationen im Blut erkauft. Das bedeutet: schnelleres Nachlassen der Wirksamkeit durch Lysin. Somit ist das teure Ibuprofen-Lysinat in der Regel nicht nötig. Eine Ausnahme könnten Migräne-Attacken sein, bei denen eine möglichst rasche Schmerzlinderung den weiteren Verlauf der Attacke günstig beeinflusst.

Ibuprofen gegen Rheuma

Die Eigenschaft von Ibuprofen und anderen NSAR, nicht nur Schmerzen, sondern auch Entzündungsprozesse zu vermindern, machen sie zu geeigneten Medikamenten bei chronischen entzündlichen Erkrankungen des Bewegungsapparats.

Solche chronischen Entzündungen der Knochen, Gelenke, Sehnen und Muskeln gehen auf das Konto des eigenen Abwehrsystems, sind also immunologisch bedingt. Sie werden als rheumatoide entzündliche Erkrankungen oder landläufig als „Rheuma“ bezeichnet.

Die Behandlung von Rheuma gehört in ärztliche Hand, denn sie erfordert eine begleitende Diagnostik und oft eine dauerhafte Therapie. Dabei werden NSAR wie Ibuprofen meist langfristig und in höheren Dosierungen verordnet als bei der oben genannten Selbstmedikation.

Keine Smarties

Auch bei Ibuprofen trifft die traurige Wahrheit der Arzneimittelwissenschaft zu: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung! Smarties sind Arzneimittel nie. Wer länger Ibuprofen einnimmt, muss mit unerwünschten Effekten rechnen.
In erster Linie betreffen sie den Magen und Darm. Es können Magenschmerzen auftreten, Übelkeit, Durchfälle, manchmal sogar Blutungen oder Geschwüre der Magen- oder Zwölffingerdarm-Schleimhaut. Das ist leicht zu verstehen, denn durch Hemmung der Prostaglandine verlieren Magen- und Darmschleimhaut ihren Schutz gegen die aggressive Magensäure.

Wird ein Geschwür nicht rechtzeitig erkannt, kann dies lebensbedrohlich sein. Tückisch dabei ist, dass der schmerzhemmende Effekt der NSAR die Symptome eines Magengeschwürs überdecken kann.

Muss Ibuprofen über längere Zeit eingenommen werden, ist wie bei anderen NSAR oft ein Magenschutz nützlich. Die dafür eingesetzten Medikamente wie Omeprazol oder Pantoprazol reduzieren die aggressive Magensäure. Wann das sinnvoll ist, sollten Ärztin oder Arzt mit Ihnen gemeinsam entscheiden.

Wer dauerhaft NSAR wie Ibuprofen nutzt, hat außerdem ein etwas höheres Risiko, einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine andere kardiovaskuläre Erkrankung zu erleiden. Warum das so ist, ist noch nicht vollständig geklärt, aber es ist durch mehrere Untersuchungen belegt.

Fazit

Ibuprofen ist eine gute alte Pille, die aus der Medizin nicht wegzudenken ist. Nimmt man sie nur wenige Tage ein, ist sie meist gut verträglich. Bei längerfristiger Einnahme ist jedoch mit ernsten unerwünschten Wirkungen zu rechnen, weshalb eine ärztliche Beratung und Verschreibung erforderlich ist.

Magensäure­blocker
GPSP 6/2008, S. 3

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 02/2017 / S.12