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Anregung zum Abwarten

Warum Abwarten oft die beste Medizin ist.

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Jan und Ragnhild Schweitzer (2017) Fragen Sie weder Arzt noch Apotheker. Warum Abwarten oft die beste Medizin ist. Köln: KiWi-Paper- back, 272 Seiten, 14,99 €.

Muss jedes Zipperlein sofort behandelt werden? Das vorgestellte Buch rät in vielen Fällen zum Abwarten und gibt wichtige Denkanstöße. Ein umfassender Gesundheitsratgeber ist es allerdings nicht, und will es auch nicht sein.

Weniger ist oft mehr – diese Erkenntnis wird in der Medizin zunehmend diskutiert. Artikel in Fachzeitschriften und sogar ganze wissenschaftliche Konferenzen thematisieren Überdiagnosen und Überbehandlungen, die Leben und Gesundheit nicht verbessern, sondern nur belasten. Seit einiger Zeit gibt es auch Initiativen, die für eine kluge und mehr patientenfokussierte Diagnostik und Therapie werben (etwa „Choosing wisely“ oder „Gemeinsam klug entscheiden“).1 Bei der Krebsfrüherkennung ist die Problematik inzwischen sogar in Patientenbroschüren angekommen,2 auf anderen medizinischen Gebieten gibt es jedoch noch viel Verbesserungspotenzial.

Der Grund dafür sind unter anderem fragwürdige Angebote in Arztpraxen, Apotheken und im Internet. Dazu kommen überzogene Erwartungen von Patienten und Patientinnen. Diesem Thema widmen sich die Journalisten Ragnhild und Jan Schweitzer, die beide Medizin studiert haben. Unter dem provokanten Titel „Fragen Sie weder Arzt noch Apotheker“ spießen die Autoren Fälle auf, in denen Abwarten „die bessere Medizin“ gewesen wäre. Dabei schildern sie, welcher Schaden durch zu viel Diagnostik und Therapie etwa in der Zahnheilkunde oder Chirurgie entstehen kann. Natürlich plädieren die beiden nicht dafür, grundsätzlich auf medizinische Maßnahmen zu verzichten: Gleich im Vorwort weisen sie darauf hin, dass bei gesundheitlichen Sorgen, starken oder andauernden Beschwerden natürlich ein Arztbesuch sinnvoll ist. Gleichzeitig raten die Autoren aber dazu, „erst einmal in Ruhe nachzudenken“, bevor man sich in gesundheitlichen Aktionismus stürzt.

Dass in den einzelnen Kapiteln Geschichten erzählt werden, sei es über selbst Erlebtes oder über klinische Studien, macht das Buch leicht lesbar, gleichzeitig birgt es eine Schwäche: So finden sich nur an wenigen Stellen konkrete Hinweise darauf, welche Symptome des besprochenen Krankheitsbildes tatsächlich für eine Erkrankung sprechen, die sich besser doch ein Arzt oder eine Ärztin ansehen sollte. Auch erschließt es sich Lesern möglicherweise nicht, warum die Autoren die Themen Biolebensmittel oder Mindesthaltbarkeit diskutieren – für unsinnige Vorschriften sind die im Titel gescholtenen Heilberufe sicher nicht verantwortlich.
Das Buch ist kein Ratgeber für konkrete Gesundheitsthemen, sondern ein leicht lesbarer Gedankenanstoß in Sachen Überdiagnosen und Übertherapien. Deshalb ist es sinnvoll, dass das letzte Kapitel „Gesundheitsinformation“ grundlegende Kriterien für verlässliche Gesundheitsinformationen nennt und entsprechende Quellen vorstellt (so auch Gute Pillen – Schlechte Pillen).

Hinzu kommen Tipps für das Arztgespräch.3 Anders als der Titel nahelegt, sollten Patienten also auf Fragen nicht vollständig verzichten, jedoch die richtigen stellen. Ärgerlich ist der Zustand des Quellenverzeichnisses: Hier fehlen an vielen Stellen gute Links, die für Detailinteressierte hilfreich gewesen wären.

1   GPSP4/2014, S. 14
2   GPSP 3/2017, S. 19
3   GPSP 4/2016, S. 8

PDF-Download

– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2017 / S.16

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