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Herzschrittmacher: Auf den Takt kommt es an

Was kann ein Herzschrittmacher?

Wenn das Herz zu langsam schlägt und zu wenig Blut pumpt, kann ein Schrittmacher helfen. Doch was macht der eigentlich genau und worauf muss man achten?

Wer erstmals einen Schrittmacher bekommt, ist im Mittel 70 Jahre alt, jede/r Zwanzigste ist sogar 90 Jahre oder älter. Der häufigste Anlass für die Implantation ist, dass die Betroffenen Symptome wie Schwindel oder Ohnmachtsanfälle (Synkopen) haben, weil ihr Herz zu langsam schlägt. Oft sind elektrische Leitungsstörungen im Herzen der Grund dafür. Schlägt der Sinusknoten, also der Haupt-Taktgeber des Herzens, im rechten Vorhof langsamer als erforderlich oder leitet der sogenannte AV-Knoten (siehe Kasten) die Impulse des Sinusknotens nicht an die Herzkammern weiter, dann übernimmt der Schrittmacher diese Funktion.

Seltener wird ein Schrittmacher wegen medikamentös schwer behandelbarem Vorhofflimmern oder zur sogenannten Resynchronisationsbehandlung bei ei­ner Sonderform der schweren Herzinsuffizienz eingesetzt. Die wichtigsten Ursachen von elektrischen Leitungsstörungen im Herzen sind: Durchblutungsstörungen, Altersverschleiß, Ver­narbungen nach Herzinfarkt oder auch Medikamenten-Ne­ben­wirkungen.

Wie funktioniert ein Herzschrittmacher?

Herzschrittmacher haben zwei Grundfunktionen: Sie überwachen den Herzrhythmus, also die Zahl der Herzschläge pro Minute (Sensing) und sie stimulieren das Herz, wenn es zu langsam schlägt (Pacing). Das „Sensing und Pacing“ erfolgt über Elek­troden, deren Spitzen in die Vorhöfe und Kammern des Herzens implantiert werden. Der Schrittmacher stimuliert bei Ausfall des Sinusknotens den Vorhof oder nimmt bei AV-Block (siehe Kasten) den Impuls des Sinusknotens auf und leitet ihn über die Elektrode an die Kammer weiter.

Ein „einfacher“ Schrittmacher führt Sensing und Pacing in der rechten Herzkammer nach einer fix vorgegebenen Frequenz durch, es sei denn, er bleibt bei einem ausreichenden Eigenrhythmus des Patienten inaktiv. Für diese einfache Schrittmacherstimulation wird nur ein Elektro­den­kabel benötigt („Einkammer-Schrittmacher“). Bei einem „Zweikammer“-Gerät geschieht das Sensing und Pacing im rechten Vorhof und in der rechten Kammer. Hierzu werden zwei Elektrodenkabel benötigt. Solange der Sinusknoten noch normal funktioniert, kann die Stimulationsfrequenz so automatisch an die Körperaktivitäten des Patienten angepasst werden. Wenn der Sinusknoten nicht mehr funktioniert, kann ein integrierter Bewegungssensor die Körperaktivität messen und die Stimulationsfrequenz daran anpassen.

Kniffeligere Systeme haben drei Elektrodenkabel. Sie werden bei Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz eingesetzt.

Je mehr Kabel und Funktionen, desto komplizierter sind Schrittmachersysteme zu implantieren und zu programmieren – und desto mehr Funktionsstörungen können auftreten. Es gibt neuerdings auch kabellose, kapselförmige Mikroschrittmacher. Sie wiegen nur knapp 2 Gramm, sind 3 bis 4 Zentimeter lang und werden über die Leistenvene in die Spitze der rechten Herzkammer implantiert. Sie können aber bloß einfache Funktionen ausüben und eignen sich daher nur für wenige Patienten, etwa dann, wenn wiederholt Probleme mit den Elektroden aufgetreten sind.

Das in Deutschland heute mit großem Abstand am häufigsten implantierte System ist ein Zweikammer-Schrittmacher. Normalerweise muss er alle 10 bis 14 Jahre ausgewechselt werden, dann ist die Batterie erschöpft.

© implantate-schweiz.ch

Die Implantation

Die Implantation eines Herzschrittmachers erfolgt mit lokaler Betäubung. Die Auswahl des Systems hängt von der Leitungsstörung ab und von den zu erwartenden Anforderungen an das Aggregat, beispielsweise, ob es sich um einen älteren, wenig aktiven oder einen sportlichen jüngeren Menschen handelt. Meist wird das Aggregat unterhalb des rechten Schlüsselbeins implantiert. Das oder die Elektrodenkabel werden über eine „Punktion“ in die Schlüsselbeinvene eingebracht und unter Röntgenkontrolle in die rechten Herzkammern geschoben. Die Spitzen der Elektroden werden dort in die Herzwand „eingeschraubt“ oder mittels kleiner Widerhaken verankert.

Sind die Elektroden mit dem Aggregat verbunden, werden die Funktionen getestet. Wenn die Messwerte dann passen, wird der Schrittmacher oberhalb oder unter­halb des Brustmuskels ­fixiert und die 3 bis 4 Zentimeter lange Wunde verschlossen. Die Operation dauert je nach System 40 bis100 Minuten. Sie müssen mit drei bis vier Tagen Klinikaufenthalt rechnen. Vor der Entlassung gibt es noch die erste Schrittmacherkontrolle. Die technischen Daten werden dabei telemetrisch, also durch die Haut, ausgelesen. Ferner wird die Elektrodenlage mit einem Röntgenbild dokumentiert und ein Herz-Ultraschall durchgeführt, um unter anderem eine falsche Lage der Elektroden auszuschließen. Die Fäden in der Haut werden üblicherweise nach 10 Tagen entfernt.

Komplikationen

Schwerere Komplikationen treten bei jeder zwanzigsten Neuimplantation auf.3 Am häufigsten verrutschen die Schrittmacherkabel gefolgt von einer Verletzung der Lunge, sehr selten sind die gefürchteten Infektionen. Die Häufigkeit hängt zudem von der Routine der Operateure und Kliniken ab.

Neben den unmittelbar während oder direkt nach der Operation auftauchenden Problemen können längerfristig technische oder mechanische Probleme auftreten, manchmal müssen dann Aggregat oder Elektroden ausgetauscht werden. Um solche Fehlfunktionen frühzeitig zu erkennen, müssen die Patienten regelmäßig, etwa alle 6 oder 12 Monate in eine Schrittmachersprechstunde. Alternativ kann das Gerät heute auch per Fernabfrage über das Telefon ärztlich kontrolliert werden.

Problemlos durch den Alltag

Das Leben mit einem Herzschrittmacher ist in der Regel unkompliziert: Die elektrischen Impulse sind so schwach, dass sie nicht spürbar sind.

Ist die Einheilungsphase überstanden, sind die meisten körperlichen Aktivitäten und Sport­arten ohne größere Einschränkungen möglich. Ausnahmen sind Kampfsportarten, bei denen mit Schlägen auf den Ober­körper zu rechnen ist, denn dabei können die Elektroden brechen. Auch Flaschentauchen in größeren Tiefen ist untersagt, da der höhere Umgebungsdruck die Elektronik beschädigen kann. Bei Sportarten, die mit Schlägern ausgeübt werden (etwa Squash, Tennis), empfiehlt es sich, das Aggregat nicht auf die Seite der Schlaghand zu implantieren, um es vor starken Erschütterungen zu schützen. Autofahren ist für Privat­fahrer nach der Operation und erfolgter Funktionskontrolle fast immer sofort möglich. Berufskraftfahrer sollen erst nach einer Woche wieder fahren – wenn der Schrittmacher jedoch ständig stimulieren muss und/oder bei Ohnmachtsanfällen in der Vorgeschichte muss vier Wochen gewartet werden.4

Elektromagnetische Felder (EMF) können je nach Stärke Funktionsstörungen am Schrittmacher verursachen (Interferenzen). Dabei kann er in seiner Sensingfunktion gestört, d.h. inaktiviert werden, er kann sich erwärmen oder es kann zu spontanen Umprogrammierungen kommen. Moderne Herzschrittmacher sind gegen EMF aber in aller Regel gut abgeschirmt und im Alltag sicher. Mobiltelefone, Unterhaltungselektronik, Elektrofahrzeuge und WLAN stören nicht, Mindestabstände sind daher nicht mehr erforderlich.5 Mit den meisten modernen Herzschrittmachern ist heute sogar eine MRT-Untersuchung möglich.

Wann es riskant wird

Anders ist das bei Induktionskochfeldern, kontaktlosen Ladestationen für Mobiltelefone, Mikrowellengeräten, älteren schlecht isolierten Haushaltsgeräten, elektrischen Werkzeugen wie Bohrmaschinen, Rasenmähern oder Heckenscheren, sowie Sport- und Therapiegeräten. Hier ist mit einem stärkeren EMF zu rechnen, und es sollte grundsätzlich ein Sicherheitsabstand von einer Unterarmläge zum Herzschrittmacher eingehalten werden. Meist informieren die mitgelieferten Bedienungsanleitungen darüber.

Auch Diebstahlsicherungen im Eingangsbereich von Geschäften können Funktionsstörungen verursachen. Sie sollten daher zügig passiert werden. Ein Aufenthalt in diesem Bereich ist zu vermeiden. Metalldetektoren etwa an Flughäfen, dürfen unter Vorlage des Schrittmacherausweises umgangen werden.

Vorhof­flimmern
GPSP 6/2017, S. 4
GPSP 3/2019, S. 4

MRT
GPSP 3/2019 S. 16

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2020 / S.04