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©jan-otto/iStock

So läuft’s beim Arzt besser

Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten und Ihre Rechte

In deutschen Arztpraxen läuft einiges schief: Patienten haben öfters das Gefühl, ihr Anliegen nicht ausreichend vorbringen zu können.1 Das verwundert nicht: Die durchschnittliche Arztkonsultation dauert nur fünf bis acht Minuten, und bereits nach 11 bis 24 Sekunden unterbricht der typische Arzt seinen Patienten.2,3 Als Patient können Sie viel tun, damit Sie der Praxisbesuch weniger frustriert und Sie besser informiert nach Hause gehen.

Patienten machen sehr unterschiedliche Erfahrungen mit ihren Ärzten – gute wie schlechte. Obwohl das Beratungsgespräch meist eher kurz ist, sind die meisten Patienten damit dennoch zufrieden.4 Doch oft scheinen Arzt und Patient aneinander vorbeizureden. Viele Patientinnen und Patienten fühlen sich nach dem Gespräch mit ihrem Arzt oder ihrer Ärztin nicht gut informiert. Hingegen glaubt die Mehrheit der Mediziner, dass ihre Patienten alles Wichtige wissen.5 Das liegt vor allem daran, dass Arzt und Patient häufig keine gemeinsame Sprache finden und Patienten sich vom medizinischen Experten nicht ernstgenommen fühlen.

Experte in eigener Sache

Dabei ist jeder geplagte Mensch doch auch Experte: Er kennt seinen Körper am besten, kann schildern, wie es ihm geht, wann körperliche Beschwerden auftreten und was dagegen hilft. Das sind wichtige Informationen für Diagnose und Therapie. Der erste Schritt zum besseren Arztgespräch ist deshalb: Noch vor dem Termin die Beschwerden notieren – und zwar detailliert: Wie oft und in welchen Situationen treten die Schmerzen auf? Welche Folgen haben sie für den Alltag und die Lebensqualität? Nehmen Sie eher zu? In welchen Situationen? Erfährt der Arzt nicht nur, dass das Knie weh tut, sondern zusätzlich, dass es immer nach dem Aufstehen schmerzt, die Beschwerden im Schnitt dreimal pro Woche auftreten und die Patientin regelmäßig nachts wecken, kann er sich ein besseres Bild machen und sieht: Hier besteht akuter Handlungsbedarf.

Fragen notieren und sortieren

Was habe ich? Muss ich mich schonen? Kann ich etwas gegen die Schmerzen tun? Ist mein Leiden gefährlich? Wer Beschwerden hat, macht sich Sorgen, viele Fragen schwirren im Kopf herum. Doch im Arztgespräch sind sie plötzlich vergessen – ein typisches Problem. Deshalb haben Sie Ihre Fragen ja schon notiert. Nach dem Sammeln wird sortiert, sodass die drei bis vier wichtigsten Fragen oben auf dem Zettel stehen. Solange der Arzt oder die Ärztin diese Fragen nicht beantwortet hat, gilt: Nachhaken und sich nicht abwimmeln lassen. Bleibt danach noch Zeit, können Sie weitere Fragen stellen. Doch auch der beste Arzt hat nur begrenzt Zeit. Deshalb sollten Sie schnell auf Ihre Beschwerden zu sprechen kommen, nicht unnötig weit ausholen und die Fragen präzise stellen. Sind Sie nach dem Gespräch noch unsicher, können Sie um einen weiteren Termin bitten.

Fachchinesisch hinterfragen

Ärzte verfallen oft in ihre Fachsprache. Das ist keine böse Absicht, denn patientenzentrierte Kommunikation wird im Studium nicht ausreichend gelehrt. Deshalb ist es wichtig, dass Sie Rückmeldung geben und nachfragen: „Bitte erklären Sie mir das noch einmal, ich habe es noch nicht ganz verstanden“. Um sicherzugehen, dass Sie alles richtig mitbekommen haben, können Sie das Erklärte auch einmal in eigene Worte fassen: „Sie sagten also, dass…“.

Behandlungsoptionen besprechen und bewerten

Im idealen Gespräch vermittelt der Arzt nicht nur die Diagnose, sondern auch den zu erwartenden Krankheitsverlauf. Er beschreibt die Behandlungsmöglichkeiten mit ihren Vor- und Nachteilen und erklärt, wie Sie zusätzliche unabhängige Informationen finden können. In der Realität läuft es oft anders. Doch sollte jeder Patient zumindest erfahren, wie die nächsten Behandlungsschritte aussehen. Haben Sie Zweifel an der Diagnose oder der vorgeschlagenen Therapie, können Sie um Bedenkzeit bitten: „Ich möchte das erst überschlafen“ oder „Ich möchte das mit meiner Familie besprechen“. Sie können  sich auch eine ärztliche Zweitmeinung einholen, also einen anderen Mediziner konsultieren.6 Damit die hinzugezogene Ärztin oder der Arzt alle notwendigen Informationen bekommt, haben Patienten ein Anrecht auf Kopien aus ihrer Patientenakte.7

Bei schweren akuten Erkrankungen ist manchmal Eile geboten. Meist bleibt aber genug Zeit, sich mit den Vor- und Nachteilen verschiedener Therapien auseinanderzusetzen. Sehr nützlich sind dafür die Entscheidungshilfen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).8 Sie erklären, welche Informationen wichtig sind, um eine Behandlung zu bewerten. In einer Übersicht können Sie selbst verschiedene Therapien mit ihrem Nutzen und Schaden gegenüberstellen. Das hilft, eigene Gedanken zu sortieren und wichtige Fragen zu formulieren. Besonders bei weitreichenden Entscheidungen empfiehlt es sich, die einzelnen Punkte Schritt für Schritt mit Arzt oder Ärztin durchzusprechen – und sich erst danach zu entscheiden.

Kritik darf sein

Doch wie verhält man sich richtig, wenn der Arzt während des Gesprächs einen Anruf erhält oder nur auf seinen Bildschirm schaut? Dann hilft am besten: abwarten, bis man wieder seine volle Aufmerksamkeit bekommt, und erst dann reden. Oder mit einem freundlichen „Ich warte gerne, bis sie fertig sind“ signalisieren, dass man noch da ist.

Auch Kritik darf sein, obwohl zwischen Arzt und Patient ein besonderes Vertrauensverhältnis besteht, das man nicht gefährden will. Entscheidend ist die Verpackung. Wer mit freundlichen Worten startet, kann getrost seinen Unmut loswerden, wenn er anschließend eine Lösung vorschlägt: „Sie machen eine sehr gründliche Diagnostik, aber leider habe ich noch immer keine Ergebnisse bekommen. Vielleicht erreichen Sie mich schlecht, ich gebe Ihnen mal meine Handynummer und meine E-Mail-Adresse.“

Und wenn das alles nicht hilft, um mit einem besseren Gefühl nach Hause zu gehen? Dann ist dieser Arzt oder diese Ärztin vielleicht nicht die richtige Wahl und ein Termin bei einer anderen Praxis einen Versuch wert.

 

 

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 04/2016 / S.08