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Risiken mindern: Wissenswertes zu Gerinnungshemmern

Gerinnungshemmer sollen einerseits vor Blutgerinnseln und ihren teils fatalen Folgen schützen. Auf der anderen Seite können sie aber selbst auch Probleme bereiten. Wer weiß, worauf es ankommt, kann gefährliche Fallstricke vermeiden.

Gerinnungshemmer werden verordnet, um die Bildung von Blut­gerinnseln zu verhindern. Das ist beispielsweise bei Vorhofflimmern wichtig, aber auch bei künstlichen Herzklappen oder nach einer Thrombose beziehungsweise Lungenembolie.1 Manchmal reicht es, die Gerinnungshemmer (siehe Kasten) nur einige Wochen oder Monate einzunehmen, oft ist aber eine lebenslange Therapie nötig.

Im Gleichgewicht

Die Blutgerinnung gehört zu den lebenswichtigen Mechanismen des Körpers. Bei der Behandlung ist es nicht immer einfach, die richtige Dosis zu finden: Bei zu starker Gerinnungshemmung drohen Blutungen, bei zu geringer Hemmung können Blutgerinnsel entstehen. Hinzu kommt: Mehrere Faktoren können das Gleichgewicht stören. Dazu gehören je nach Wirkstoff beispielsweise Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, aber auch mit Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln. Für eine sichere Behandlung ist es deshalb wichtig, dass Patientinnen und Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, einige wichtige Fakten kennen und beherzigen.

Für alle gleich

Einige Aspekte gelten gleichermaßen für alle Gerinnungshemmer: Wichtig ist natürlich eine regelmäßige Einnahme, denn nur dann können die Mittel richtig wirken. Wird doch einmal eine Tablette vergessen, informiert die Packungsbeilage darüber, was in diesem Fall zu tun ist. Bei allen Gerinnungshemmern sind regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen wichtig.2 Besonders intensiv sind die Kontrollen bei Phenprocoumon: Hier richtet sich die einzunehmende Dosis nach den Ergebnissen der Gerinnungskontrolle, die spätestens alle vier Wochen ansteht. In besonderen Situationen, etwa zu Beginn der Behandlung oder bei akuten Infektionen, können häufigere Kontrollen notwendig werden. In jedem Fall ist es für eine sichere Therapie nötig, die Kontrolltermine nicht zu versäumen.

Gefährliche Symptome kennen

Wichtig für eine sichere Therapie ist es, dass Sie Warnzeichen früh bemerken. Wirken die Gerinnungshemmer zu stark, drohen Blutungen. Erkennen lässt sich das etwa an Blut im Stuhl oder Urin oder an schmerzhaften Gelenkschwellungen als Folge einer Einblutung. Wirken die Gerinnungshemmer nicht ausreichend, kann es zu Schlaganfall,3 Thrombose oder Lungenembolie4 kommen.

Verdächtige Beschwerden bei Schlaganfall sind vor allem Schwäche, Taubheitsgefühl in Gesicht, Arm oder Bein, Sprach- oder Verständnisschwierigkeiten. Anzeichen einer Thrombose sind starke Schmerzen oder Schwellungen eines Beins, plötzliche unerklärliche Atemnot oder star­ke Schmerzen in der Brust.

Alle informieren

Wenn Sie Gerinnungshemmer einnehmen, ist das für Ihre Ärztinnen und Ärzte, aber auch für das Apothekenpersonal wichtig zu wissen. Der Grund: Viele ­dieser Gerinnungshemmer gehen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten ein, sodass ihre Wirksamkeit zu- oder abnehmen kann. Und das kann gefährlich werden. Vor allem bei einer geplanten Operation, Zahnbehandlung oder endoskopischen Untersuchung wie einer Magenspiegelung spielt die ­verlangsamte Blutgerinnung eine wichtige Rolle.

Arzt oder Ärztin, die den Gerinnungshemmer verordnen, stellen Ihnen einen Behandlungsausweis aus, den können Sie dann einfach in allen Arztpraxen und Apotheken vorlegen. Haben Sie noch keinen Behandlungsausweis bekommen, fragen Sie bitte nach! Der Ausweis gehört nicht in die Schublade, sondern in die Geldbörse oder die Handytasche – das kann bei einem Unfall entscheidend sein.

Auch Ihre Angehörigen sollten wissen, dass Sie einen Blutgerinnungshemmer einnehmen und dass bei Verletzungen stärkere und schwer stillbare Blutungen auftreten können. Tückisch sind besonders Blutungen im Magen-Darm-Trakt, die nicht ohne Weiteres erkennbar sind und bei denen eine Blutstillung schwierig ist.

Aufgepasst in der Selbstmedikation

Das Problem von Wechselwirkungen5 besteht nicht nur mit verordneten Arzneimitteln, sondern auch mit solchen, die rezeptfrei in der Apotheke erhältlich sind. Wichtigste Regel: Wer Gerinnungshemmer einnimmt, sollte bei Kopfschmerzen oder anderen Schmerzen kein ASS (etwa Aspirin®) einnehmen, weil dieser Wirkstoff die Blutungsneigung verstärkt. Der Wirkstoff Paracetamol ist in diesem Fall in der Regel die bessere Wahl. Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Diclofenac können ebenfalls das Blutungsrisiko erhöhen, weil sie die Magenschleimhaut schädigen können.6 Auch diese Vorsicht gilt für alle Gerinnungshemmer. Im Zweifelsfall ist es sinnvoll, mit den behandelnden Ärzten über die richtige Auswahl eines Schmerzmittels zu sprechen.

Harmlose Pflanzen?

Auch wenn sie oft als harmlos angesehen werden: Selbst pflanzliche Mittel – egal ob aus Apotheke oder Drogerie – können die Wirksamkeit der Gerinnungshemmer beeinflussen und je nach Mittel verstärken oder abschwächen. Das gilt etwa für Präparate mit Johanniskraut, Ginkgo, Ingwer, Knoblauch, Ginseng oder Artischocke. Allerdings sind die Risiken bei den einzelnen Gerinnungshemmern unterschiedlich, deshalb lohnt ein Blick auf den Beipackzettel.

Richtig essen

Die Wirksamkeit von Phenprocoumon kann durch Vitamin K beeinträchtigt werden. Marcumar-Patienten sollten deshalb nicht auf eigene Faust Multivita­min-Präparate einnehmen, die Vitamin K enthalten. Wenn es denn unbedingt ein solches Vitaminpräparat sein soll, ist es wichtig, Arzt oder Ärztin über die Einnahme zu informieren.
Vitamin K kommt allerdings auch in größeren Mengen in Gemüse vor – am meisten in Kohl und grünem Blattgemüse. Um Probleme zu vermeiden, ist es sinnvoll, über die Zeit einigermaßen gleichmäßig viel von Vitamin-K-reichem Gemüse zu essen, dann kann dieser Effekt durch die Blutuntersuchungen kontrolliert und die Dosis entsprechend angepasst werden.

Probleme mit der Gerinnungseinstellung können bei der Phen­procoumon-Behandlung auch Grapefruit und Grapefruitsaft bereiten – nicht nur direkt bei gleichzeitiger Einnahme, sondern während der gesamten Therapie. Zur Sicherheit ist hier Verzicht angesagt. Ähnliches gilt auch für große Mengen Alkohol – ein gelegentliches Gläschen Wein oder Bier in Maßen ist aber meist unproblematisch.

Vorsicht bei Nahrungsergänzung

Sehr lang ist übrigens die Liste von Nahrungsergänzungsmitteln, die die Wirksamkeit von Phenprocoumon verstärken oder verringern können: Dazu gehören hochdosiertes Vitamin E oder Omega-3-Fettsäuren, Glucosamin oder Goji-Beeren. Bei den anderen Gerinnungshemmern sind solche Wechselwirkungen bisher nicht aufgefallen. Dennoch ist Vorsicht geboten.

Vorhof­flimmern
GPSP 6/2017, S. 4

Neuere Gerinnungshemmer
GPSP 6/2013, S. 4

Gerinnungshemmer Kontrolle der Dosis
GPSP 5/2018, S. 8

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2019 / S.04