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© Mladen Zivkovic/iStock

Knochenbrüche im Alter

Wie sinnvoll ist ein Osteoporose-Screening?

Osteoporose, also eine niedrige Knochendichte, ist einer von mehreren Risikofaktoren für Knochenbrüche. Besonders häufig treten sie bei älteren Frauen auf. Nützt es ihnen, wenn sie sich alle auf Risikofaktoren für Knochenbrüche testen lassen?

Mit zunehmendem Alter nimmt die Knochenmasse ab, wie Messungen der Knochendichte zeigen. Unterschreitet die Dichte einen bestimmten Wert, sprechen Fachleute von Osteoporose. Diese Diagnose erhalten besonders häufig Frauen nach ihren Wechseljahren. Denn die Abnahme der körpereigenen Produktion des Geschlechtshormons Östrogen verringert auch die Knochendichte. Das kann dazu führen, dass es leichter zu Knochenbrüchen kommt, etwa an den Wirbelkörpern oder am Oberschenkelhals.1

Was erhöht das Risiko?

Allein aus der Knochendichte oder der Diagnose Osteoporose lässt sich die Wahrscheinlichkeit für einen Knochenbruch aber nicht verlässlich vorhersagen. Auch weitere Faktoren spielen dabei eine Rolle, etwa wie körperlich aktiv eine Frau ist, vorangegangene Knochenbrüche, fortgeschrittenes Alter, Rauchen oder die Einnahme bestimmter Medikamente.

Knochenbrüche bei Osteoporose können sehr schmerzhaft sein. Bei Brüchen des Oberschenkelhalses ist oft eine Operation notwendig, und es können Komplikationen, zum Beispiel Thrombosen, auftreten. Lassen sich solche Brüche tatsächlich verhindern, wenn man nur früh genug auf Osteoporose und andere Risikofaktoren testet, also allen Frauen nach den Wechseljahren ein Osteoporose-Screening anbietet, auch wenn sie bislang keine Beschwerden haben?

Hilft Screening?

Die beste Möglichkeit, diese Frage zu beantworten, sind Untersuchungen, bei denen Menschen nach dem Zufallsprinzip einem Screening oder keinem Screening zugeteilt und dann bei Bedarf behandelt werden. Nach ausreichend langer Zeit wird verglichen, in welcher der beiden Gruppen mehr Knochenbrüche durch Osteoporose aufgetreten sind und welche unerwünschten Effekte sich zeigen.

Nur wenige Studien

Allerdings gibt es nicht viele solcher Studien. Ein Ende 2019 veröffentlichter europäischer Nutzenbewertungsbericht2 stützt sich vor allem auf zwei größere Screening-Studien aus Dänemark und Großbritannien. Sie dauerten fünf Jahre, und es nahmen insgesamt rund 46.000 Frauen zwischen 65 und 85 Jahren teil. Nach Abschluss des Berichts wurde eine weitere ähnliche Studie aus den Niederlanden veröffentlicht mit rund 11.000 Frauen zwischen 65 und 90 Jahren. Diese Studie lief über knapp vier Jahre.

Verglichen wurde, bei wie vielen Frauen Osteoporose-bedingte Knochenbrüche auftraten. In allen drei Studien konnten durch das Screening im Wesentlichen keine Knochenbrüche verhindert werden. Unsicher blieb, ob das Screening eventuell das Risiko für Brüche an der Hüfte senkt.

© stefanamer/ iStockphoto.com

Höchstens ein kleiner Effekt

Weil Osteoporose-bedingte Kno­chenbrüche in allen Studien relativ selten waren,5 hat ein For­schungsteam die Ergebnisse zu­sammenfassend ausgewertet, um durch die größere Zahl der Teil­nehmerinnen eventuell vorhandene kleine Effekte sicherer entdecken zu können.6 Dabei ergab sich ein eher kleiner Nutzen bei größeren Osteoporose-bedingten Knochenbrüchen, etwa an der Wirbelsäule oder an der Hüfte: Rund 4 von 1.000 Frauen blieb durch die Teilnahme am Screening ein solcher Bruch erspart.

Unklar: Unerwünschte Effekte

Nicht thematisiert werden in der gemeinsamen Auswertung mögliche negative Folgen des Screenings, und auch die großen Einzelstudien schweigen sich dazu aus. Verlässliche Daten wären aber nötig, um Nutzen und Nachteile eines solchen Screenings abwägen zu können.

Der europäische Bericht hat deshalb auch noch andere Studien ausgewertet und die Nebenwirkungen von behandelten und nicht behandelten Screening-Teilnehmerinnen verglichen. Dabei zeigte sich kein Unterschied hinsichtlich schwerer Nebenwirkungen zwischen einer Behandlung mit Osteoporose-Medikamenten und einem Scheinmedikament. Daraus lassen sich aber nur indirekte Schlussfolgerungen für die unerwünschten Effekte einer Screening-Strategie ziehen, weil es keinen Vergleich mit Frauen gibt, die nicht an einem Screening teilgenommen haben.

Was wir nicht wissen

Auch viele andere Fragen bleiben offen, die vor einem solchen Screening geklärt werden müssten:

  • Was ist die beste Screening-Strategie? Denn die war in den Studien etwas unterschiedlich.
  • Welchen Nutzen hätte die Früherkennung einer Osteoporose bei Frauen nach den Wechseljahren, die aber noch jünger sind als 65 Jahre, oder auch bei älteren Männern?
  • Würde die Integration anderer Behandlungsoptionen statt oder zusätzlich zu Osteoporose-Medikamenten zu einer positiveren Bilanz des gezielten Screenings führen, etwa Beratung zur Vermeidung von Stürzen, zu mehr körperlicher Aktivität oder einem Gleichgewichtstraining? In den Studien wurde nicht erfasst, ob solche Maßnahmen in den hausärztlichen Praxen umgesetzt wurden.
  • Werden als Ergebnis des gezielten Screenings auch Menschen mit Medikamenten behandelt, die davon gar keinen Nutzen haben, weil sie trotz nachgewiesener Osteoporose sowieso keinen Knochenbruch erlitten hätten? Mit anderen Worten: Wie hoch ist also das Risiko für Überdiagnosen?
  • Welche Rolle spielt die – wenn auch im Vergleich zu anderen Untersuchungen relativ geringe – Belastung durch Röntgenstrahlung?

Was die Kasse zahlt

In Deutschland bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen eine Messung der Knochendichte mit DXA 3 nur unter bestimmten Voraussetzungen: Wenn aufgrund anderer Befunde – etwa bei konkreten Beschwerden – der Verdacht auf Osteoporose besteht, die Behandlung mit Osteoporose-Medikamenten in Betracht kommt und die Knochendichte-Messung in Kombination mit den anderen Risikofaktoren bei der Entscheidung dafür oder dagegen helfen kann.7

Allerdings gibt es auch immer wieder Praxen, die Frauen nach ihren Wechseljahren Knochendichte-Messungen pauschal anbieten. Das ist dann eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL zur Früherkennung von Osteoporose („Osteoporose-Screening“). Die Kosten müssen aus eigener Tasche bezahlt werden.8

Die Verbraucherzentrale berichtet, dass auch Menschen, bei denen die Krankenkasse die Kosten für die Knochendichtemessung bezahlen würden, von manchen Praxen zu den für sie lukrativeren Selbstzahlerleistungen (IGeL) gedrängt werden. Im Zweifelsfall lohnt sich eine Nachfrage bei der Krankenkasse.

Screening: Untersuchungen, um in einer Gruppe von Menschen ohne Beschwerden diejenigen zu finden, die eine bestimmte Erkrankung oder ein hohes Erkrankungsrisiko haben, ohne bisher davon zu wissen.

Osteoporose
GPSP 4/2011, S. 4

Screening
GPSP 3/2017, S. 19

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 06/2020 / S.16