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© Jennifer-Hulsey

Durchfall: Fluch und Segen der Antibiotika

Antibiotika helfen bei vielen bakteriellen Infektionen, können dabei aber auch die gesunde körpereigene Bakterienbesiedlung beeinträchtigen, vor allem im Magen-Darm-Trakt. Warum das so ist, an welchen Beschwerden Sie dies merken und wann Sie eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen sollten, dazu erfahren Sie einiges im folgenden Artikel.

Eigentlich sind Antibiotika für Kranke ein Segen: Sie können viele Infektionskrankheiten heilen, an denen Menschen noch vor 75 Jahren häufig starben. Leider attackieren Antibiotika aber auch wichtige körpereigene Mikroorganismen. Die meisten dieser 800 bis 1.000 Bakterienarten besiedeln den Magen-Darm-Trakt,1 wegen ihrer Vielfalt auch „natürliche Darmflora“ genannt. Die genaue Zusammensetzung der Darmflora unterscheidet sich in den einzelnen Darmabschnitten, verändert sich mit dem Alter des Menschen und ist praktisch bei jedem Menschen einzigartig.

Können Antibiotika den Darm schädigen?

Wenn wir Antibiotika schlucken, gelangen sie mit ihren Wirkstoffen meist über den Dünndarm in unser Blut. Ein Teil kann über das Blut in den Dickdarm gelangen und dort die Darmflora durcheinander bringen.

Wie hoch die Schädigung der Darmflora ist, hängt davon ab, auf welche Bakterienarten das Antibiotikum besonders einwirkt. Außerdem spielen Dosierung, Dauer der Einnahme und Begleiterkrankungen eine Rolle. Schließlich kommt es darauf an, ob Leber oder Nieren an der Ausscheidung beteiligt sind.2

Eine kleine Studie aus Schweden3 belegt, dass sich der Stuhl schon nach einer siebentägigen Antibiotikatherapie mit Clindamycin nachhaltig verändert. Diese Veränderungen waren noch bis zu vier Jahre später nachweisbar.4 Veränderungen der Darmflora sind nicht gleichbedeutend damit, dass ein Mensch krank ist! Diese Studie zeigt nur, dass es Veränderungen gibt und sie sehr lange anhalten. Man geht davon aus, dass die Darmflora beim erkrankten Menschen nicht so widerstandsfähig ist wie beim gesunden. Deshalb ist es wichtig, sich vor jeder Einnahme eines Antibiotikums zu überlegen, ob sie wirklich notwendig ist. Bei den meisten Menschen, die Antibiotika schlucken, bekommen die Darmflora-Bakterien das Durcheinander wieder in den Griff.

Durchfall durch Antibiotika

Kommt es während einer Behandlung mit Antibiotika oder bis zu zwei Monaten später zu Durchfall, sprechen Ärzte von Antibiotika-assoziierter Diarrhö (AAD). Sie entsteht zum Beispiel, weil einige darmeigene Bakterien direkt zerstört wurden und sich andere krankmachende Keime im Darm angesiedelt haben – was zur Entzündung der Darmschleimhaut führen kann. Antibiotika können aber auch die Darmbewegung verändern. Oder sie beeinflussen, wie die Nahrung verdaut wird.5

Meistens verschwindet der Durchfall von selbst, wenn man das Antibiotikum nicht mehr braucht. Wichtig ist, es nicht eigenmächtig abzusetzen. Manchmal ist die Lungen-, Mandel- oder Blasenentzündung noch nicht besser geworden. Oder es besteht die Gefahr, dass man sich durch ein zu frühes Absetzen widerstandsfähigere Keime im Körper heranzüchtet, die die ursprünglichen Beschwerden verschlimmern. Dann kann der Arzt oder die Ärztin ein anderes Antibiotikum verordnen oder dazu raten, die Antibiotikatherapie trotz Durchfall zu Ende zu führen, vor allem wenn sie nur noch wenige Tage dauert.

Schwierig: Clostridium difficile

Wer im Krankenhaus liegt und/oder lange Antibiotika nehmen muss, steckt sich möglicherweise mit einem Bakterium an, das besonders heftigen Durchfall und Komplikationen hervorruft: Clostridium difficile (C. difficile). Oft kommt es in kleinen Mengen im Darm vor, ohne krank zu machen. Es kann sich aber explosionsartig vermehren, wenn die natürliche Darmflora durch Antibiotika angegriffen ist. Ein Risiko bergen auch Menschen, die eine Durchfallerkrankung verursacht von Clostridien haben: Sie scheiden die Bakterien mit dem Durchfall aus und können durch ungenügend desinfizierte Hände oder Gegenstände andere anstecken.

C. difficile produziert Giftstoffe, die dazu führen können, dass sich der Darm aufbläht, die Darmwand sich bis hin zur Blutvergiftung (Sepsis) entzündet und schlimmstenfalls ein Loch im Darm entsteht. Ein Durchfall durch Clostridien kommt bei Patienten im Krankenhaus häufiger vor (1 von 100 Krankenhauspatienten mit Antibiotikatherapie).6

Wer nach einer Antibiotikabehandlung wässrigen Durchfall hat, der faulig riecht, mindestens dreimal pro Tag auftritt und länger als zwei Tage anhält, hat sehr wahrscheinlich eine Clostridium-difficile-assoziierte Diarrhoe (CDAD).7 Das muss sofort von einem Arzt geprüft werden. Falls das Bakterium nachweislich der Auslöser ist, müssen die zuvor gegebenen Antibiotika gestoppt und durch andere ersetzt werden, die bei C. difficile helfen, nämlich Metronidazol und Vancomycin.

Die Darmflora aufbauen?

Oft liest man vom „Aufbau der Darmflora“ durch Probiotika. Damit sind Produkte gemeint, die lebende Mikroorganismen enthalten und sich positiv auf die Gesundheit auswirken sollen. Man kann sie in der Apotheke und im Supermarkt kaufen. Es gibt sie als Arzneimittel und als Lebensmittel.

Der Nutzen dieser Produkte ist umstritten. Daran hat auch eine umfassende Untersuchung (Meta-Analyse) mit scheinbar positivem Ergebnis nichts geändert, weil die zugrundeliegenden Daten nicht aussagekräftig genug waren. 8

Demgegenüber hat eine zuverlässige Studie die Nutzlosigkeit von Probiotika ergeben (GPSP 2013/6). Sie können sogar schädlich sein, wenn ein chronisch Kranker durch Antibiotika Durchfall bekommen hat.8 Deshalb kann GPSP nicht dazu raten, die Darmflora mit Probiotika wieder aufzubauen. Wer antibiotisch behandelt wurde und danach länger als zehn Tage starken Durchfall hat, sollte sich an einen Arzt wenden.

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– Gute Pillen – Schlechte Pillen 03/2014 / S.22